Die Polarfüchse mit meinen eigenen Augen zu sehen, davon träume ich schon seit einigen Jahren. In dem entlegenen Nordwesten Islands kommt der kleine Cousin unseres Rotfuchses besonders häufig vor, und da auch Island schon lange weit oben auf meiner Liste stand, habe ich beschlossen nicht länger zu warten. Ursprünglich hatte ich geplant mich im Sommer alleine auf die Suche nach ihnen zu begeben, denn die anderen beiden Familienmitglieder interessieren sich leider weder für die Füchse noch für andere Tiere und sie hätten schon gar nicht die Gedult nach ihnen zu suchen. Aber eine Solo-Reise zu einem so abgeschiedenen Ort wie die Hornstradir Halbinsel zu organisieren erwieß sich als kompliziert. So habe ich mich schließlich für eine organisierte Fotoreise entschieden, mit Philippe Garcia, einem Berufsfotografen der seit Jahren viel Zeit in Island verbringt. Außerdem fällt diese Reise in den Winter, also dann wenn das Fell der Füchse am allerschönsten ist und keinerlei öffentliche Verbindungen zu der Halbinsel bestehen.

©satellites.pro

Es ist meine erste ausschließlich fotografisch orientierte Reise, ich weiß weder was ich zu erwarten habe, noch kenne ich Philippe oder die anderen Teilnehmer.

Das Wetter ist in Island verlässlich unbeständig und um sicher zu gehen meinen Inlandflug nicht zu verpassen komme ich schon am Vorabend in Reykjavik an. Am Abend lerne ich dann die ersten zwei anderen Gruppenteilnehmer kennen, Frédéric und Jacques. Ich nehme ihren Vorschlag zusammen essen zu gehen gerne an, denn ich habe keine große Lust alleine in meinem Zimmer zu sitzen. Wir verbringen den Abend zusammen in einem Restaurant in der Innenstadt, ich stelle mit Erleichterung fest daß die beiden sehr nett und sympatisch sind.

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Isafjördur, die größte Stadt der Region der Westfjorde im äußersten Nordwesten der Insel. Als ich unser winziges Fluzeug sehe bleibt mir erst einmal das Herz stehen, aber Jacques versichert mir das die Isländischen Piloten die besten auf der ganzen Welt sind. Die vom Schnee und Eis verzauberten Landschaften unter uns sind so traumhaft schön daß ich gelegentlich sogar meine Angst vergesse. Als der Pilot zur Landung ansetzt wird mir klar warum dieser Flughafen den Ruf hat schwierig anzufliegen zu sein. Die Stadt liegt in einem engen Fjord, direkt angrenzend an einen schroff abfallenden Berghang und widrige Wetterverhältnisse wie starker Wind und Nebel sind hier häufig.

Unser Mini-Flugzeug
Isafjördur

Am Flughafen erwartet uns Philippe und nun lernen wir auch den Rest der Gruppe kennen. Wir sind eine internationale Mischung : 2 Franzosen, 1 Engländer, ein Australier und ein Kuwaiti.

Wir beginnen unseren ersten Tag mit einem Besuch der Polarfuchsstation, (http://www.melrakki.is/) die zugleich Museum und Forschungszentrum ist, um etwas mehr über die ihre Biologie und Verhaltensweisen zu lernen. Dort sehen wir auch unsere ersten Füchse, sie wurden als Weisen in die Station gebracht weil ihre Eltern von den Jägern erschossen wurden. In der Station dürfen sie nun in einen Gehege leben, denn leider ist nach einer Aufzucht von Menschenhand keine Auswilderung mehr möglich.

Am Nachmittag suchen wir vergeblich nach Schneehühnern in den verschneiten Hängen überhalb der Stadt.

Zu unserem eigentlichen Reiseziel auf der Halbinsel Hornstradir geht es am nächsten Morgen.

Mit dem Schiff brauchen wir eine gute Stunde bis wir das einsame kleine Ferienhaus erreichen, das unser Heim für die nächsten Tage sein wird. Glücklicherweise ist das Meer, für hiesige Verhältnisse ruhig! Wie die meisten der alten Häuser, die hier weit verstreut am Ufer der Fjorde stehen, war auch unser Feriensitz ursprünglich ein Bauernhaus das in den vierziger Jahren von seinen Bewohnern verlassen wurde. Das bäuerliche Leben an diesen von der Welt abgeschnittenen Orten war hart und die neuen Generation zogen es vor sich in der Stadt ein leichteres Leben aufzubauen.

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Heute werden viele dieser kleinen Häuschen, meist noch im Besitz derselben Familien, wieder als Feriendomizile genutzt. Unser Haus gehört der Familie von unserem Gastgeber Runar. Ganze vier Jahre hat er gebraucht um das alte Gemäuer aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken und daraus ein kleines Schmuckstück zu zaubern, inmitten von einem winterweißen Paradis. Hier gibt es weder Straßen noch Nachbarn. Landesteg gibt es auch keinen, deshalb müssen wir vom Schiff aus mit dem Schlauchboot an den Strand fahren. Und nachdem das Häuschen weit oben auf einer kleinen Anhöhe liegt, müssen wir Gepäck und Kameraausrüstung, sowie den Proviant für die nächsten Tage erst einmal den steilen, verschneiten Hang hochtragen.

Unsere nächsten Nachbarn sind weit entfernt, auf der anderen Seite des Fjords

Kaum sind wir angekommen beobachtet schon ein neugieriger Polarfuchs unser Treiben. Ein gutes Zeichen für unseren restlichen Aufenthalt!

Entdeckt!

Ich muß zugeben daß wir es nicht besser hätten treffen können. Philippe begleitet uns mit fotografischen Ratschlägen und seiner guten Laune. Das Häuschen ist einfach aber außerordentlich gemütlich und Runar ist ein perfekter Gastgeber. Er zaubert uns jeden Tag die köstlichsten Gerichte, die wir nach mehreren Stunden in der eisigen Kälte sehr zu schätzen wissen. Die Füchse haben die ärgerliche Angewohnheit immer zu den Mahlzeiten aufzutauchen, als ob sie die Suppe gerochen hätten ! Glücklicherweise ist uns Runar nicht böse wenn wir in diesen Augenblicken fluchtartig den Tisch verlassen und nach draußen stürzen.

Hier haben wir weder einen WLAN-Anschluß, noch Empfang für Handys. Die meisten der Gruppe können dieses abgeschnitten sein geniessen, aber ein gewisser Fanatiker der sozialen Netzwerke leidet sichtlich!

Sehr gemütlich, unser Wohnzimmer

Fernseher gibt es hier auch keinen, stattdessen hoffen wir am Abend die Nordlichter zu sehen. Aber selbst wenn der Himmel tagsüber klar ist, ziehen gegen Ende des Tages regelmäßig Wolken auf die uns das Spektakel vermießen. Jacques und Frédéric sind schon einige Tage vor unserem Aufenthalt im Hornstardir auf Island angekommen und konnten während ihrer privaten Inseltour dieses Schauspiel beobachten. Frédéric ist der einzige der mutig und geduldig genug ist um stündlich einen Blick auf den Nachthimmel zu werfen, für den Fall daß die Wolkendecke aufreist. Er hat uns versprochen die restliche Mannschaft gegebenenfalls zu wecken!

Für diese erste Erfahrung unter extremen winterlichen Wetterbedingungen zu fotografieren hatte ich mein Möglichstes getan gut vorbereitet zu sein. Meine größte Sorge war an den Füßen zu frieren, aber letztendlich sind es eher meine Hände die am meisten gelitten haben. Sogar in der Sonne verwandelt der eisige Wind meine Finger innerhalb kürzester Zeit in Eiszapfen. Manche haben Handschuhe die speziell für Fotografen entwickelt wurden, aber persönlich kann ich damit gar nichts anfangen, denn sie sind mir immer noch zu dick und unhandlich um damit die Kamera bedienen zu können. Außerdem hatte ich selbst mit den dicken Handschuhen immer noch kalte Finger. Schließlich hat mir ein kleiner Handwärmer in meiner Jackentasche am besten geholfen. An ihm konnte ich abwechselnd mein beiden Hände wieder auftauen. Trotz der Kälte lohnt es sich ständig in Bereitschaft zu bleiben, denn die Füchse können jederzeit und oft sehr plötzlich auftauchen. Außerdem ist es ratsam jeden Morgen den verbleibenden Platz auf der Speicherkarte sowie die Akkus zu überprüfen – es gibt nichts schlimmeres als diese mit gefrorenen Fingern und unter Zeitdruck wechseln zu müssen.

Außer den Füchsen haben wir auch noch einen anderen Star……Beschäftigungstherapie während wir auf die Füchse warten.

Den vierten Tag müssen wir leider im Haus verbringen, so stark weht draußen der Schneesturm. Ein paar Waghalsige trauen sich vor die Tür, aber bei einem Wind von 110 Stundenkilometern und noch stärkeren Böhen kann man das Fotografieren ohnehin vergessen. Die Sicht ist auf wenige Meter beschränkt und die Füchse sind schlau genug bei diesem Wetter in einem geschützen Versteck zu bleiben anstatt unnötig Energie zu verbrauchen. Nur ein Unverbesserlicher filmt sich selbst mit seiner GoPro draußen im Schneegestöber. Schließlich muß er seinen Facebook-Fans zeigen was er bei dieser Reise alles mitgemacht hat!

Trotz aller Vorkehrungen ist das Abwasserrohr der Toiletten eingeforen und uns bleibt nichts anderes übrig als die alten, außerhalb gelegenen, Trockentoiletten zu benutzen. Sie befinden sich in einer kleinen Hütte hinter dem Haus, da überlegt man gleich zweimal ob man noch einen weiteren Tee oder Kaffee trinken soll!

Die Trockentoiletten im Schnee

Einen ganzer Tag auf so engem Raum ist eine gute Gelegenheit den Zusammenhalt der Gruppe auf die Probe zu stellen. Aber trotz unserer sprachlichen und (manchmal recht erstaunlichen) kulturellen Unterschiede verstehen sich alle ausgezeichnet. Philippe unterhält uns mit zahlreichen lustigen Anekdoten und technischen Diskussionen und der Tag vergeht schließlich überraschend schnell. Und selbstverständlich halten uns auch Runars kulinarische Spezialitäten bei Laune.

Tarnstiefel für den Schnee
Weiße Wand-Deko

Der nächste Morgen hält eine neue schlechte Überraschung für uns bereit. Nach dem Abwasserrohr ist nun auch die Trinkwasserleitung eingefroren. Bei Flut ist der Bach in der Nähe unzugänglich und Runar schmilzt Schnee für die warmen Getränke und für das Zähneputzen. Sobald der Wasserspiegel gesunken ist, machen sich Runar und Philippe auf den Weg zum Bach um dort die Plastiktonnen mit Süßwasser zu füllen. Sogar zu zweit und mit dem Schlitten ist der Transport der vollen Tonne den Hang hinauf bis zum Haus Schwerstarbeit. Wenige Meter vor dem Ziel, reißt ein gewisser Teilnehmer dem erschöpften Runar die Zügel aus der Hand, drückt ihm seine GoPro Kamera in den Arm und läßt sich filmen as ob er selbst die Wassertonne den ganzen Hang hinaufgezogen hätte. Die Szene ist so unwirklich daß wir trotz allem nur noch lachen können…wenn die Facebook-Fans nur die Wahrheit wüßten….

Das Trinkwasser wird aufgeladen
Im Endspurt
Die Tonne ist schwer, sogar für 2
Kleiner Rollenwechsel für die letzten Meter

18. Februar : Unser Aufenthalt geht zu Ende, morgen geht es wieder zurück in die Zivilisation. Der Wind bläst weniger stark, auch wenn der Schnee immer noch durch die Luft wirbelt. Der Boden um das Haus herum ist über Nacht zur Schlittschuhbahn geworden, Spikes hätte ich hier jetzt gut gebrauchen können. Jeder Schritt will bedacht sein, denn abgesehen von der Glätte sind die Böhen stark genug um uns umzuwerfen. Ich gehe zum Strand hinuter, die Stufen die Philippe für den letzten Meter in die Schneeverwehung gegraben hat sind verschwunden und bevor ich noch weiß wie mir geschieht gibt der Rand unter mir nach und ich lande 1,5 Meter tiefer, kopfüber im Schnee. Sicherlich habe ich bei Runars guter Küche zugenommen…. Glücklicherweise hat Frédéric meinen abenteuerlichen Sturz von oben beobachtet und eilt mir zur Hilfe.

Unter der Schneeverwehung – © Frédéric
Dem Wetter ausgesetzt am Strand
Vor der Schneeverwehung – © Jacques
Frédéric fotografiert von oben
Sicht von oben
Jacques versucht sein Glück am Strand

Für Runar und Philippe sind die Anstrengungen leider noch nicht vorbei, denn der gestrige Schneesturm hat unser Schlauchboot verschluckt. Sie müssen es nicht nur finden sondern dann auch noch ausgraben, sonst sitzen wir morgen hier fest.

Wo ist bloß das Schlauchboot?
Zu zweit geht’s schneller
Ausgrabung
Wieder gefunden

Ja leider ist morgen schon unser letzter Tag, die Woche ist viel zu schnell vergangen. Persönlich hätte ich auch nichts dagegen hier noch ein wenig länger festzusitzen….

19. Februar : Unser letzter Tag im weißen Paradis. Heute Nachmittag holt uns das Schiff wieder ab. Wir nützen die letzten Stunden um noch einige Fotos zu schießen. Die Füchse schleichen um das Haus herum, der Abschied fällt uns allen schwer. Während wir unser Gepäck ins Schlauchboot laden fällt uns ein kleiner Fuchs auf, der sich um vom Wind geschützt zu sein mitten in der Schneeverwehung am Hang eingerollt hat. Gelangweilt schaut er uns zu, er scheint von unserer Abreise wenig beeindruckt.

Zeit zum Aufbruch
Das Schlauchboot wird geladen
Der letzte Star von unserem Aufenthalt – © Frédéric

Das Schiff wendet und beginnt den Fjord hinunterzufahren, mit schwerem Herzen sehe ich unser Häuschen immer kleiner werden. Alles war so perfekt hier ! Eines ist jetzt schon sicher, ich komme wieder ! Und zwei gute Gründe habe ich auch schon, wir haben weder Nordlichter noch einen weißen Polarfuchs gesehen.

Leider der einzige Weißfuchs unseres Aufenthalts
Das kleine Haus wird immer kleiner
Rückfahrt

Nach einer letzten Nacht in Isafjördur stellen wir am nächsten Morgen fest daß unser Flug verspätet ist. Der Wind ist zu stark, die Isländer wollen kein Risiko eingehen. Aber sie sind bestens organisiert, stündlich erhalten wir Neuigkeiten zu unserem Flug. Am frühen Nachmittag bekommt er endlich Starterlaubnis. Noch eine qualvolle Stunde über den Wolken im schwankenden Flugzeug und wir sind wieder in Reykjavik.

Die Fjorde aus der Luft
Reykjavik von oben

Hier trennen sich unsere Wege. Ich habe noch einen Tag in der Hauptstadt, Jacques und Frédéric fahren weiter in den Süden der Insel, und die anderen schicken sich um ihren Rückflug nicht zu verpassen.

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