arctic fox cub in the rain

8 Juli 2020: Eigentlich warte ich schon seit über einem Jahr auf diesen Tag, aber angesichts der aktuellen, Corona-Pandemie-bedingten Einschränkungen kann ich es immer noch kaum glauben daß es heute tatsächlich nach Island losgeht. Seit meiner ersten Begegnung mit den Polarfüchsen im Februar 2019 (siehe meinen Beitrag https://karinswildlifediaries.org/de/polarfuchse-in-island-februar-2019/) träume ich davon sie wiederzusehen und mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Aber bis vor 3 Wochen, dem Zeitpunkt an dem Island seine Grenzen für ausländische Touristen öffnete, schien alles noch sehr ungewiss und ich war mir nahezu sicher daß meine zweite Reise zu den Polarfüchsen aufgeschoben werden müßte…..

10 Juli: Nach einer langen und lästigen Fahrt über Paris und einer weiteren Nacht in Reykjavik trete ich endlich den letzten Teil meiner Reise an, den Inlandsflug von der Hauptstadt nach Isafjörður, in den Westfjorden. Seit meiner Abfahrt vor 48 Stunden habe ich nur Gesichter mit Masken gesehen, aber überraschenderweise trägt hier niemand eine, fast hätte man vergessen können was in der restlichen Welt vor sich geht.

Es ist Zeit die anderen Gruppenteilnehmer zu treffen. Ohne Maske fällt es mir nicht schwer Richard wiederzuerkennen, wir kennen uns schon von meiner letzten Island-Reise. Gemeinsam versuchen wir zu erraten wer wohl noch von der Partie sein mag. Lange brauchen wir nicht zu rätseln, denn eine Frau spricht uns an und stellt uns ihre 18-jährige Tochter Floriane als die Dritte im Bund vor. Auch im Flugzeug keine Maske in Sicht, die Passagiere steigen so entspannt ein als ob es sich um einen Bus handeln würde. Wir sind die einzigen Touristen an Bord. Phil (https://www.explographe.com/) wartet schon am Flughafen auf uns, an seinem breiten Lächeln sieht man gleich daß auch er sehr erleichtert ist daß wir endlich angekommen sind.

Die nächsten 10 Tage werden wird im Hornstrandir Naturreservat verbringen, einer unbewohnten und naturbelassenen Halbinsel am entlegensten Ende der Westfjorde. Im Gegensatz zum Rest des Landes sind Polarfüchse dort streng geschützt und mit etwas Glück kann man sie im Sommer, der einzigen Zeit in der das Reservat für Touristen zugänglich ist, beobachten. Anfang Juli verlassen die Welpen regelmäßig den Bau um draußen zu spielen und die Umgebung zu erkunden. Wir hoffen ihnen einige Tage lang beim erwachsenwerden zuschauen zu dürfen und möchten auch die Eltern in ihren Jagdgebieten beobachten und fotografieren.

Trotz der dunklen Wolken erscheinen die Berge in einem wunderschönen Licht

ERSTER TAG – ERSTE BEGEGNUNG

Am nächsten Morgen geht es los zu unserer ersten Etappe im Hornstrandir, eine einstündige Bootsfahrt entfernt. Der letzte Winter war besonders kalt und schneereich so daß sogar jetzt, Mitte Juli, die Berge rund um die Fjorde herum noch von großen weißen Schneeflecken geziert sind. Die entlegene Hornstrandir-Halbinsel an der äußersten Nordwestspitze Islands ist eine besonders wilde und unwirtliche Gegend, die wenigen Bewohner sind schon in den Vierziger Jahren von hier weggezogen, aber manche Bauernhäuser haben überlebt und werden jetzt von den Nachkommen der Auswanderer als Sommerquartiere genutzt. Die nächsten 2 Tage wohnen wir in einem dieser Häuser.

Auch mitten im Juli liegt in den Bergen noch immer stellenweise Schnee

Wir haben es alle eilig die Füchse zu sehen, bzw wiederzusehen, und kaum haben wir unser Gepäck abgestellt machen wir uns auf die Suche nach ihnen. Mit Blick auf den Eingang von einem Fuchsbau warten wir gut getarnt hinter einem großen Felsbrocken und ein paar dichten Engelwurzstauden. Aber die Natur macht selten das was man erwartet oder will, und heute wollen uns die kleinen Füchse, die wir so gerne gesehen hätten, leider nicht den Gefallen tun herrauszukommen. Der leichte Windhauch ist nicht genug um uns die lästigen kleinen Fliegen vom Leib zu halten und nach dem wir 2 Stunden lang ihre unermüdlichen Angriffe ertragen haben, machen wir uns schließlich auf den Weg zu einer wohlverdienten warmen Suppe. Die Seehunde die sich bei Ebbe im seichten Wasser ausruhen sind wesentlich kooperativer…..

Hallo!
Tut mir leid, bin noch etwas müde!
So, jetzt reicht’s, Schluß mit den Fotos für heute!

Am frühen Nachmittag ziehen wir wieder los, diesmal suchen wir nach einem anderen Bau. Phil hat letzte Woche regelmäßig 2 erwachsenen Füchse an dieser Stelle beobachten können und er ist sich sicher daß der Bau nicht weit sein kann. Während wir die Hänge nach einem Lebenszeichen absuchen, sammeln sich die Mini-fliegen um einen neuen Angriff zu starten. Die winzigen Biester sind eine echte Plage, sie nutzen unsere Wehrlosigkeit schamlos aus, schließlich wollen wir unentdeckt bleiben und können nicht wild mit den Armen fuchteln um sie zu vertreiben. Sie beißen zwar weder, noch stechen sie, aber sie haben die üble Angewohnheit sich in die Augen, Nase, Mund und Ohren zu setzen, und können einen wahrlich zum Wahnsinn treiben. Zwei Stunden vergehen ohne daß wir irgendetwas sehen. Langsam bezweifeln wir daß der Fuchsbau sich wirklich an dieser Stelle befindet, aber für den Fall daß sich die Eltern aufgrund unserer Anwesenheit nicht herangetraut haben beschließen wir lieber zu gehen.

Ein Steinschmätzer leistet uns während des Wartens Gesellschaft

Im hohen Norden ist der Sommer sehr kurz und die kleinen Füchse haben nicht viel Zeit vor dem Einsetzen des Winters groß zu werden. Anfang Juli sind die Kleinen zwischen 5 und 6 Wochen alt, sie sind zwar noch recht klein, aber schon entwöhnt. Sie verbringen ihre Zeit mit Spielen und Entdeckungsstreifzügen um den Bau herum während sie darauf warten daß die Eltern die nächste Mahlzeit bringen.

Sommer in Island

Wir kehren zum ersten Bau von heute morgen zurück, und gut versteckt hinter dem gleichen Felsbrocken lassen wir den Eingang nicht mehr aus den Augen. Endlich, nach einer Stunde zeigt sich das erste Fuchskind. Hurrah!!! Und schon kommt ein zweites nach. Die Versuchung so schnell wie möglich näher zu rücken ist groß, aber wir müssen noch ein wenig Geduld zeigen, erst möchten wir eine Zeitlang ihr Verhalten beobachten, und auch sehen ob eventuell einer der Erwachsenen in der Nähe ist. Endlich ist die Luft rein, aber im gleichen Moment tauchen ein paar Spaziergänger auf. Da wir nicht möchten daß sie die Welpen entdecken bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten. Und diese Sonntagsspaziergänger lassen sich Zeit, viel Zeit….

Endlich sind sie außer Sichtweite und wir schleichen uns langsam näher, bis wir die Fuchsmutter entdecken. Wie alle Tiere haben auch Polarfüchse alle einen unterschiedlichen Charakter. Manche sind neugierig und stören sich nicht an Menschen in ihrer Gegenwart, andere sind besonders scheu und ängstlich und ertragen keine Fremden in der Nähe ihrer Jungen. Es kommt selbstverständlich nicht in Frage die Reaktion des Tieres zu ignorieren, auch wenn dies bedeutet keine Fotos zu machen. Leider gehört diese spezielle Fuchsmutter zu der letzteren Kategorie und uns bleibt uns nichts anderes übrig als uns schnell und leise wegzuschleichen.

Eine besonders scheue und mißtrauische Fuchsmutter

ZWEITER TAG – ENDLICH FUCHSKINDER

Im Sommer geht die Sonne hier nie richtig unter, und es ist ein eigenartiges Gefühl mitten in der taghellen Nacht aufzuwachen. Um 5 Uhr habe ich schließlich genug und beschließe aufzustehen. Leise schleiche ich aus dem Haus, um die anderen nicht aufzuwecken. Ich laufe zum Strand hinunter, in der Hoffnung dort einem Fuchs auf Nahrungssuche zu begegnen. Aber der Sandregenpfeifer ist der einzige der sich meiner erbarmen möchte.

Ein verständnisvoller Sandregenpfeifer
Sandregenpfeifer am Strand

Ich bin schon fast dabei wieder kehrtzumachen als sich am Ende vom Strand etwas bewegt. Mein erster weißer Polarfuchs! Leider ist er viel zu weit weg um ihn einzuholen, ich sehe gerade noch wie er in den Binsen verschwindet.

Ein weißer Polarfuchs am Strand

Ich mache einen kleinen Umweg zum Haus zurück und bleibe unterwegs regelmäßig stehen um die grünen Hänge mit dem Fernglas abzusuchen. Plötzlich sehe ich etwas zwischen den Felsbrocken huschen, aber schon ist es wieder verschwunden. Ich warte und lasse die Stelle nicht aus den Augen, habe ich vielleicht doch nur geträumt? Und da, plötzlich ist es wieder da, ein kleines schokoladenbraunes Fellknäuel, und dann noch eines. Mein Herz hüpft vor Freude, ich traue meinen Augen kaum, als mir klar wird daß der Bau, den wir gestern gesucht haben genau vor meiner Nase ist.

Zwei Fellknäuel im Grünen

Nach dem Frühstück ziehen wir sofort los, aus einiger Entfernung beobachten wir den Bau und müssen auch gar nicht lange warten bevor wir das erste Fuchskind herauskommen sehen. Insgesamt zählen wir 5 Junge, 3 weiße und 2 blaue, nicht erstaunlich bei zwei unterschiedlich gefärbten Elterntieren. Es grenzt fast an ein Wunder daß uns heute der Nieselregen die lästigen Mini-fliegen vom Leibe hält.

Neugieriger kleiner Fuchs
Gemischter Wurf
Fuchskinder mit blauem und weißen Fell

Viele Leute denken daß im Winter alle Polarfüchse automatisch ein weißes Fell bekommen. Nur wenige wissen daß es 2 verschiedene Farbvarianten gibt. Der Weißfuchs, der im Winter schneeweiß ist und im Sommer zu einem leicht scheckigen hellen Grau mit Beigetönen wechselt und der sogenannte Blaufuchs, der sein schokoladenbraunes Fell (das oft etwas bläulich glänzt, daher der Name) das ganze Jahr über beibehält. Weltweit ist die weiße Variante wesentlich häufiger, aber in Island, und besonders in den Westfjorden gehören etwa 80% der blauen Variante an, eine Anpassung an ihren zum Großteil aus Küsten bestehenden Lebensraum. Bei der Farbgenetik der Polarfüchse handelt es sich um ein kompliziertes Thema, aber zusammenfassend kann man sagen daß das Allel (Gen) für die blaue Farbgebung dominant ist, wohingegen das Allel für die weiße Farbe rezessif ist. Jedes Tier besitzt 2 Allele zu jedem Gen (eines vom Vater, das zweite von der Mutter), so daß in einem Wurf nur dann ein Prozentsatz weißfelliger Junge vorkommen kann wenn entweder beide Elterntiere weiß sind, oder die Eltern zwar blau sind, aber beide ein rezessives Allel für die weiße Variante besitzen.

Das kleinste der Jungen ist müsam den steinigen Hang über dem Bau hinaufgekettert, von Zeit zu Zeit hören wir ihn bellen. Plötzlich hören wir ein anderes Bellen, und die Silhouette der Fähe zeichnet sich oben am Kamm gegen den Himmel ab.

Der Jungvogel den die Fähe bringt ist nur ein winziger Happen für die Kleinen…..

Flink läuft sie zwischen den Felsbrocken den Hang hinunter und legt am Baueingang einen erbeuteten Jungvogel ab. Die Kleinen stürzen sich sofort darauf und verschwinden kreischend und zankend hinter einem großen Felsblock. Wir haben Glück denn diese Füchsin ist nicht sehr scheu, sie beobachtet uns neugierig, aber gelassen. Nach einer kleinen Pause mit ihren unermüdlichen Jungen bricht sie erneut auf Jagd auf.

Die Fähe beobachtet uns neugierig
Gar nicht so leicht sich eine Pause zu gönnen!

Als das kleinste Fuchskind es endlich geschafft hat den steinigen Hang hinunterzuklettern ist seine Mama schon wieder weg. Trotz Nieselregen rollt er sich vor dem Eingang des Baus ein, für uns ist es der geeignete Augenblick uns wegzuschleichen.

Benjamin, das kleinste der 5 Fuchskinder
Ich habe Hunger!!!!!
Im Regen wartet er geduldig auf die nächste Mahlzeit

DRITTER TAG – AM ENDE DER WELT

Am nächsten Morgen geht es auf zum zweiten Teil unserer Abenteuerreise im Hornstrandir Naturreservat, diesmal haben wir eine 3-stündige Bootsfahrt vor uns.

Es gibt wohl kaum einen noch wilderen und entlegeneren Ort als diese zerklüftete und von den Atlantikstürmen gepeitschte Küste. Man versteht leicht warum die wenigen mutigen Seelen, die hier einst abgelegen und in Armut lebten, diese karge Gegend in den vierziger Jahren verlassen haben um in der Stadt ein leichteres Leben zu finden. Das Boot setzt uns direkt am Strand ab, Steg gibt es hier keinen, die Gummistiefel weiß ich jetzt zu schätzen. Um zu der Stelle zu kommen an der wir unsere Zelte aufbauen dürfen haben wir noch einen längeren Fußweg vor uns. Wir müssen mehrmals hin und zurücklaufen, denn wir können unmöglich alle unsere Sachen – Zelte und Matrazen, Verpflegung für die nächsten Tage, Kochgeschirr, unsere Rucksäcke und natürlich unsere fotografische Ausrüstung – auf einmal tragen. Unterwegs treffen wir unseren ersten Polarfuchs, zu dem sich auch gleich ein zweiter gesellt. Ganz offensichtlich sind die beiden völlig unbeeindruckt von uns und sie sind mehr mit ihren Differenzen beschäftigt als sich um uns zu kümmern. Ärgerlicherweise warten unsere Kameras immer noch am Strand…..

Unser Zeltlager für die nächsten Tage

Etwas später entdecken wir voller Freude einen bewohnten Fuchsbau ganz in der Nähe von unserem Zeltlager und wir verbringen den restlichen Tag damit die Fuchsfamilie kennenzulernen. Beide Eltern sind Blaufüchse, aber haben offensichtlich das Gen für die weiße Farbvariante, denn von den 8 Jungen sind 2 weiß.

4 von den 8 Fuchskindern
Ein kleiner Blaufuchs
Ein kleiner Weißfuchs
Auch wenn Herr und Frau Polarfuchs eine stabile Dauerehe führen, sieht man sie um diese Jahreszeit selten zusammen
Ein schöner Prinz
Und seine Prinzessin

Im allgemeinen sind die Füchse, die hier im Naturreservat leben, etwas zutraulicher als ihre Verwandten im restlichen Island (wo sie leider immer noch stark bejagd werden), aber es gibt trotzdem große Unterschiede was ihre Scheu Menschen gegenüber angeht. Hier haben wir das riesige Glück eine außergewöhlich tolerante und nachsichtige Familie gefunden zu haben. Die Gelassenheit der Eltern spiegelt sich auch im Verhalten der Kleinen wieder, nach ein wenig anfänglicher Neugier verlieren sie schnell Interesse an uns und gehen ihren Spielen und Raufereien wie gewohnt nach.

Völlig entspannt!
Und die Prinzessin ebenso…

Was für ein Privileg an ihrem intimsten Familienleben teilhaben zu dürfen ohne sie dabei zu stören, ohne sie in ihrem Verhalten zu beeinflussen!

Spiel der Geschwister
Jetzt kommt schon!
Vulpes lagopus, bitte die namensgebenden behaarten Fußsohlen beachten!

Im Gegensatz zu den Rotfüchsen, sind Polarfüchse monogam und das Pärchen bleibt ein Leben lang zusammen. Nur wenn einer der beiden stirbt sucht sich der überlebende Fuchs einen neuen Lebenspartner. Deshalb haben alle Welpen aus einem Wurf den gleichen Vater, der bei ihrer Aufzucht eine entscheidende Rolle spielt. Er trägt nicht nur maßlich zum Nahrungserwerb bei, sondern verbringt auch Zeit mit den Jungen zum Spielen, zur Fellpflege und zum Kuscheln.

Komm Papa bitte spiel mit mir!
Kuschelzeit
Was ist dort drüben Papa?
Väterliche Zärtlichkeit
Mutterliebe
Mütterliche Zärtlichkeit
und Spiel
Beim Wickeln
Bitte nicht kitzeln Mama!

Die Rüden gehen oft an den steilen Nistfelsen der Vögel jagen, und bringen im Gegensatz zu den Fähen größere Beute zu den Kleinen. Fähen gehen oft am Strand auf die Suche nach angeschwemmten Fischen, ertrunkenen Vögeln oder aus dem Nest gefallenen Jungvögeln .

Fähe mit Jungvögeln
Rüde mit Trottellumme
Bei uns gibt’s heute Abend wieder Trottellumme, und bei Euch?
Futterneid bei den Kleinen….
Es war einmal eine Trottellumme…..
Trottellumme zum Abendessen
Nicht sicher daß für den Fuchsvater etwas übrig bleibt
Manchmal gelingt es der Fähe einige spärliche Reste zu ergattern

Es ist ein ausgesprochenes Privileg Zeit mit wildlebenden Tieren verbringen zu dürfen und in diesem Fall ganz besonders, denn wir müssen uns noch nicht einmal verstecken. Die Füchse sehen uns nicht als Gefahr, wir sind als harmlose Beobachter vollständig akzeptiert. Ich frage mich ob “meine“ Rotfüchse in der Creuse genauso sorglos wären wenn sie nicht seit Generationen verfolgt und bejagd würden?

Gemeinsam schläft man besser!
Aber gelegentlich sollte man……
……..Platz wechseln
Fuchsknoten
Fuchskissen

VIERTER UND FÜNFTER TAG – POLARFÜCHSE IM REGEN

Um die Füchse in möglichst vielen verschiedenen Situationen und Umgebungen zu fotografieren machen wir über die nächsten 2 Tage Streifzüge in die Berge. Von der schüchternen Sonne gestern ist jetzt nichts mehr zu sehen, heute hüllen die Wolken sogar den oberen Bereich der Berge ein. Wanderwege sind hier nicht beschildert, und in dieser weiten, kargen und baumlosen Landschaft ist es nicht immer leicht sich zurechtzufinden, schon gar nicht wenn der Nebel dazukommt. Gut daß wir einen erfahrenen Bergführer haben!

Hochmoor

Die zahlreichen kleinen Süßwasserseen in den höheren Lagen dienen tausenden von Dreizehenmöven als Waschgelegenheit um ihre Federn von den klebrigen Salzresten zu reinigen.

Süßwassersee in den Bergen
Dreizehenmöven beim Bad….
…….und im Flug

Wir wandern oben an der Steilküste entlang, aber aufgrund von den tiefenhängenden Wolken und dem Nebel können wir den sicherlich wunderschönen Blick nur erahnen. Von den Klippen sieht man fast gar nichts, selbst wenn dort ein Fuchs auf der Jagd ist, hätten wir ihn im Nebel nicht gesehen.

Von den 2 Fuchsbauten die wir finden ist nur eines der Pärchen bereit unsere Anwesenheit zu akzeptieren. Die Beobachtungen muß man sich erstmal verdienen: 1 einhalb Stunden bergauf im unaufhörlichen Nieselregen und auf durchweichten Wegen, meine Wanderschuhe sind völlig durchnäßt. Aber kaum haben wir uns hinter einer großer Engelwurzstaude niedergelassen, hat uns auch schon eines der kleinen Fuchskinder entdeckt und kommt neugierig näher. Es muß schon eine Zeitlang draußen herumgetollt sein, denn sein normalerweise weiches und kuscheliges Fell ist patschnass und steht in kleinen spitzen Büscheln ab.

Kleine Neugierdsnase

Einige Minuten später klettert die Fähe auf einen großen Felsblock etwa hundert Meter entfernt von uns und beobachtet uns neugierig und interessiert, aber ohne Furcht.

Die Fähe

4 kleine blaue Fuchskinder folgen ihr nach ein paar Minuten, 2 weitere sind dabei die nähere Umgebung des Baus zu erkunden.

Ein Teil der Familie
Auf Erkundungstour

Nach einigen Minuten Fellpflege versucht die Fähe mehrmals die Kleinen am Bau zurückzulassen um sich wieder auf Futtersuche zu begeben. Aber bei jedem Versuch sich zu entfernen laufen ihr die Welpen nach, in der Hoffnung sie auf der Jagd begleiten zu dürfen.

Dehnübung ……
……und Fellpflege
Mama ich hab Dich lieb!
Mama, dürfen wir mit auf die Jagd?
Wir sind doch schon groß!
Schluß jetzt, Ihr müßt hierbleiben!
Etwas entnervt bringt die Fähe das unternehmungslustigste Fuchskind zum Bau zurück

Nachdem sie es endlich schafft hat alleine loszuziehen, rollen sich zwei von den Kleinen ein paar Meter vor uns im Gras ein, weder der Regen noch unsere Anwesenheit scheint sie zu stören.

2 Fellknäuel im Regen

Als wir wieder im Tal ankommen kündigen die dicken schwarzen Wolken am Horizont bereits den anstehenden Sturm an. Hier, am Ende der Welt gibt es weder WLAN noch ein Mobiltelefonnetz. Aber Runar, ein Freund von Phil und unser Gastgeber für die Winteraufenthalte im Hornstrandir, hat uns ein Funkgerät geliehen um uns täglich über die Wettervorhersage auf dem Laufenden zu halten. Und die neueste Vorhersage verspricht nichts Gutes. Anstatt einem Tag mit starkem Regen heißt es jetzt ein richtiger Sturm wäre im Anzug, mit orkanartigen Böen und extremen Niederschlagsmengen, zwischen 350 – 400mm in 48 Stunden.

Auch wenn die Sommer im hohen Norden kaum für ihr schönes, warmes Wetter bekannt sind und man sich in diesen Breiten auf Regen und Wind einstellen muß, gibt es selbst für den abgehärteten Fotografen Grenzen. Wenn der isländische Regen nicht mehr senkrecht sondern waagrecht ankommt, sollte man doch lieber im Zelt bleiben. Einen solchen Tag in einem kleinen Zelt abzuwarten ist schon keine Freude, aber der Gedanke 3 Tage so zu verbringen, löst bei uns keinerlei Begeisterung aus. Wir zögern keine Minute als Runar uns anbietet den Sturm bei ihm auszusitzen, in seinem großen Zelt wenige Kilometer von uns entfernt. Um kleine Wandergruppen und Fotografen in einem etwas gemütlicheren Rahmen empfangen zu können, hat er dort für die Sommermonate ein großes widerstandsfähiges Safari-Zelt aufgebaut, welches tagsüber als Aufenthaltsraum dient, komplett mit Küchenzeile, Esstisch, Sofa und sogar ein kleiner Ofen zum Heizen.

Die letzten Augenblicke mit unserer Familie
Papa umarm mich….
Ermüdend diese Kinder!

Die Aufseherin des Naturreservats dreht ihre Runde um verstreute Wanderer vor dem Sturm zu warnen und sie ist erleichtert zu erfahren, daß wir unsere Zelte abbrechen um an einen sichereren Ort umzuziehen. Runar holt uns am späten Nachmittag mit dem Schlauchboot am Strand ab. Wir bauen die Zelte im Nieselregen ab, beim Aufbauen im neuen Lager regnet es schon viel stärker und der Wind erschwert uns diese Arbeit zusätzlich. Das große gemütliche Zelt wissen wir danach sehr zu schätzen. Glücklicherweise sind die anderen Gäste, eine kleine Gruppe von spanischen Fotografen, gerne bereit die Räumlichkeiten mit uns zu teilen! Leider spreche ich kein Spanisch, und so kann ich mich nur mit der englisch-sprechenden Reiseleiterin Marta unterhalten.

Runar’s gemütliches Zelt

Am Abend kehren wir alle in unsere kleinen Schlafzelte zurück, es kostet einiges an Überwindung das gemütliche Zelt zu verlassen, 20 Meter im strömenden Regen und eisigen Wind sind genug um uns bis auf die Knochen zu durchnässen. Kaum bin ich endlich eingeschlafen werde ich auch schon wieder von Floriane geweckt, der Sturm hat die Hälfte unseres Zelts umgelegt und jetzt regnet es in den kleinen Vorraum hinein, auf unsere Sachen. Während Floriane die Zeltwand von innen hochdrückt, versuche ich so gut wie möglich die Bodenanker und Abspannleinen die der Wind herausgerissen hat wieder zu befestigen. Aber die glatten Erdanker sind nicht für Sandböden gedacht und rutschen regelmäßig wieder herraus, jede Stunde stehe ich auf, um sie wieder festzustecken bevor das ganze Zelt zusammenkracht. Diese Nacht wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, die Freuden des Zeltens unter dem isländischen Sommerhimmel!

Der Zeltplatz ist überschwemmt!

SECHSTER BIS NEUNTER TAG DER GROßE STURM

Am nächsten Morgen, als wir gerade beim Frühstück sitzen kommt eine von den spanischen Fotografinnen hereingerannt um uns zu sagen daß unser Zelt nun ganz am Boden liegt. Die beiden kleinen Zelte von Richard und Phil scheinen dem Wind etwas besser standzuhalten, aber auch sie sind so verzerrt daß es wohl nur noch eine Frage der Zeit ist bevor auch sie zusammenbrechen. Wir haben keine Wahl, die folgenden Nächte verbringen wir im großen Zelt, glücklicherweise hat Runar zusammenklappbare Bettgestelle und so wird der Raum jeden Abend in einen Schlafsaal umgewandelt.

Guillaume, die von Marta im Sturm gerettete Trottellumme……
……wieder freigelassen, nach einer Nacht im Zelt um ihre Federn zu trocknen

Tagsüber scharen sich alle um den warmen Ofen, denn draußen sind die Temperaturen auf 4 – 5° gesunken. Die Berge am Ende unseres Tals sind mit einer dünnen Schneeschicht überzuckert. Der Wind rüttelt unaufhörlich an dem Metallgestänge des großen Zelts und bei den starken Böen zieht es so sehr daß wir zu viert den Ofen festhalten müssen um zu verhindern daß ihn der Wind aus seiner Verankerung im Boden reißt.

Frischer Schnee in den Bergen

3 Tage lang tobt der Sturm, allein bei dem Weg zu den Toiletten über den überschwemmten Zeltplatz muß man sich mit aller Kraft gegen den Wind stämmen, es ist aussichtslos einen Spaziergang in Erwägung zu ziehen. Unsere Vorräte sind begrenzt, keiner hat genug für gemeinsame Mahlzeiten, deshalb kocht jede Gruppe abwechselnd. Die restliche Zeit lesen oder diskutieren wir, und warten und warten…. Unter diesen Bedingungen ist es natürlich ausgeschlossen daß uns das Boot wie geplant am Samstag Nachmittag holt, es kann frühestens am Sonntag Vormittag kommen, eine schlechte Nachricht für uns alle, denn es bedeutet daß wir unseren Flug zurück nach Reykjavik verpassen.

Am Samstag Nachmittag legt sich der Wind langsam und die Wolken scheinen endlich geleert zu sein. Wir wagen einen kleinen Spaziergang, in der Hoffnung auf einen Fuchs zu treffen. Wir finden ihre Spuren am Strand, kaum verwunderlich, denn im Sturm sind viele Vögel umgekommen und am Strand angeschwemmt sind sie ein gefundenes Fressen für die Füchse.

Ein sehr scheuer Fuchs
Schnell weg!
Eiderente nach dem Sturm
Nachdenkliche Kragenente
Diese Jungen haben überlebt
Weibliche Eiderente

Am Abend reißt endlich die Wolkendecke auf und die untergehende Sonne taucht plötzlich die grauen Berge in ein warmes, goldenes Licht, dieses zauberhafte, vergängliche Licht das man nur im hohen Norden findet. Eine Minute später es auch schon wieder weg. Ein sehr scheuer Fuchs taucht kurz in der Ferne am Strand auf, und wie das Licht ist er auch gleich wieder in den Binsen verschwunden. Mit schwerem Herzen denke ich an unsere Abfahrt morgen, die Chancen vorher nochmal einen Polarfuchs zu sehen, geschweige denn zu fotografieren schwinden mit jeder Minute.

Strandwächter

ZEHNTER TAG – ABSCHIEDSGESCHENK

Aber die Insel hält uns zum Abschied offensichtlich noch eine ganz besondere Überraschung bereit…. Am nächsten Morgen, als wir gerade dabei sind unsere Sachen zu packen, erscheint ein junger Fuchs neben dem Zelt, wahrscheinlich ein Jährling. Im Gegensatz zu dem den wir gestern am Strand gesehen haben, ist er alles andere als scheu, ganz im Gegenteil, er scheint besonders zutraulich und verspielt zu sein. Die Gruppe aufgeregter Fotografen stört ihn nicht im geringsten, er läuft neugierig von einem zum anderen und kauert vor Richard im Gras als ob er ihn zum Spielen einladen wolle. Eine halbe Stunde erfreut er uns mit seiner Gesellschaft, dann verliert er Interesse an uns langsamen Zweibeinern und nimmt seine Nahrungssuche am Strand wieder auf. Ein wunderbares Abschiedsgeschenk….

Spielen wir???
Hübsche Augen
voller Neugier
Gleichgewicht halten
Fundstück
Das Teil lebt noch!
Ganz schön zäh!
Und schwer zu schlucken!
Bis zum nächsten Mal….

Als das Boot langsam und wild schaukelnd das Ende des Fjords hinter sich lässt, habe ich meinen Entschluß schon gefaßt, ich muß unbedingt wieder hierherkommen. Und länger…. Ich habe schließlich längst noch nicht alle Schönheiten des Hornstrandir gesehen…. Unsere französische Kapitänsfrau tut ihr Bestes um das Boot so gut wie möglich durch den immer noch sehr starken Wellengang zu steuern, aber ich bin selten so seekrank gewesen. Der Anblick der grünen Gesichter der anderen Passagiere, die wir unterwegs aufgelesen haben, macht alles noch schlimmer, dreht mir den Magen um und ich habe Mühe mich zu beherrschen. Selten sind 3 Stunden so entsetzlich lang gewesen.

Zurück in Isafjörður muß ich feststellen daß auch hier der isländische Sommer seine Spuren hinterlassen hat, die Berge rundherum sind mit einer kleinen Schicht von weißem Puderzucker überdeckt…..

Nachdem wir unseren Innlandsflug verpaßt haben bringt uns Phil mit dem Auto nach Reykjavik zurück, ich treffe dort Vater und Sohn, und Richard und Floriane fliegen im Morgengrauen nach England bzw Belgien zurück. Heute zeigt sich das isländische Wetter ausnahmsweise von seiner besten Seite, die spektakulären Landschaften der Westfjorde sind im strahlenden Sonnenschein noch schöner. Auch wenn ich den Rest Islands noch nicht kenne weiß ich jetzt schon daß ich die Westfjorde und ihre wilde und ungezämte Schönheit für immer ganz besonders ins Herz geschlossen habe.

Alle die, die der spanischen Sprache mächtig sind, können unter dem folgenden Link Martas Beitrag zu dieser Reise lesen: https://indomitus.eu/expedicion-zorro-artico-verano-2020/

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