Unsere Fähre von Port Hardy, im Norden von Vancouver Island nach Prince Rupert, eine sympatische kleine 500 Kilometer weiter nördlich gelegenen Hafenstadt am Festland durchquert eine der schönsten Landschaften der Pazifikküste. Geschlagene fünfzehn Stunden braucht sie um sich zwischen den unzähligen Inseln und Inselchen der sogenannten “Inside Passage“ hindurchzuschlängeln.

Weißkopfseeadler sind überall!
Sie behalten ein Auge auf den Hafen von Prince Rupert

Das Khutzeymateen Grizzly Sanctuary and der Pazifikküste

Am nächsten Tag machen wir eine Bootsfahrt in das Grizzlybär Schutzgebiet, das Khutzeymateen Grizzly Sanctuary. Es ist das einzige Schutzgebiet dieser Art in Kanada und besuchen kann man es nur per Boot, mit einem der wenigen “Bear, bzw Whale-watching“ Anbietern in Prince Rupert. Als wir am Hafen ankommen bin ich ein wenig enttäuscht – das Boot ist wesentlich größer als ich es mir vorgestellt hatte, hier passen gut 100 Passagiere hinein. Und die Stimmung auf dem Schiff gleicht auch eher der auf einer Butterfahrt als auf einer Exkursion zur Tierbeobachtung. Die meisten Passagiere scheinen sich mehr für die im Preis inbegriffene Brotzeit zu interessieren als für Tiere die wir eventuell auf der Fahrt sehen könnten. Ich beginne zu zweifeln ob das Ganze wirklich eine so gute Idee war……

Auf dem Weg in das Schutzgebiet

Wir fahren pünktlich los, es ist wichtig vor dem Anstieg des Wasserspiegels im Schutzgebiet anzukommen, denn nur bei Ebbe kann man die Grizzlies auf Nahrungssuche am Strand beobachten. Das Besatzungsteam gibt genaue Anweisungen, Stille ist das oberste Gebot um die Bären sehen zu können ohne sie bei ihrer Nahrungssuche zu stören. Menschliche Stimmen können sie erschrecken und verjagen, das ist wertvolle verlorene Zeit in der sie nichts fressen können. Niemand darf Essen mit auf das Deck nehmen, denn Bären haben eine sehr feine Nase, und sie sollen auf gar keinen Fall lernen Menschen mit Nahrung in Verbindung zu bringen. Solche Bären verlieren ihre angeborene Scheu und nähern sich dann menschlichen Siedlungen, was meist fatale Folgen hat. In dem riesigen Schutzgebiet leben zwischen 50 und 80 Grizzlies, genaue Zahlen gibt es nicht, weil keiner der Bären markiert oder besendert ist.

Wir entdecken einen ersten Grizzly an einem Strand, er gräbt im Sand und dreht Steine um.

Unser erster Grizzly schaut ein wenig mager aus…..

Plötzlich hebt er den Kopf als ob er uns gerade erst bemerkt hätte, dreht sich blitzschnell um und flüchtet in die an den Strand angrenzenden Büsche. Offensichtlich hat jemand weiter vorne auf dem Schiff geredet oder zu viel Lärm gemacht…. Grizzlies schauen vielleicht behäbig und tollpatschig aus, aber sie können sich flink bewegen und erstaunlich schnell laufen.

An einem anderen Strand, etwas weiter, treffen wir auf einen zweiten Grizzly, unser Kapitän versucht langsam etwas näher heranzufahren. Diesmal beachtet uns der Bär überhaupt nicht, er ist damit beschäftigt kleine Krebse und Larven unter den Steinen und dem Treibholz zu suchen und hat keine Zeit sich um Zuschauer zu kümmern. Jeder Bär ist eben anders….

Dieser Grizzlybär scheint etwas besser genährt
Bärentatze…

Etwas weiter treffen wir auf einen Gruppe von drei Buckelwalen. Eine sehr nette Überraschung !!! Von weitem schon sehen wir ihren gewaltigen Blas. Die Wale haben Hunger, wir sehen sie regelmäßig zusammen abtauchen um in den Tiefen nach Krill und Fischschwärmen zu jagen. Die Besatzung gibt sich Mühe uns die Jagdtechnik der Wale anhand von Modellen zu erklären. Leider wollen auch die Buckelwale von Prince Rupert nicht aus dem Wasser springen, und wir müssen uns mit ihren Flukes begnügen, aber allein diese sind schon beeindruckend genug!

Auf dem Rückweg hält die Besatzung noch eine letzte Überraschung für uns bereit. Plötzlich tauchen dutzende von Weißkopfseeadlern über dem Schiff auf und folgen uns, alle hoffen ein paar Fischreste zu ergattern!

Die Weißkopfseeadler hoffen daß ein paar Reste für sie abfallen….
Oh weh…..

Haida Gwaii, ein wildes und von Stürmen geplagtes Archipel mitten im nordwestlichen Pazific

Am folgenden Morgen geht es weiter, unsere nächste Station ist Haida Gwaii, eine Inselgruppe im Pazifik, etwa 80 Kilometer vom kanadischen Festland entfernt. Die sehr dünn besiedelten Inseln sind ein rauhes, wildes und schwer zugängliches Naturparadies, das durch seine Lage regelmäßig von den Stürmen im Pazifik heimgesucht wird. Die Inseln sind außerdem Heimat der Haida-Indianer, einer der mächtigsten Indianerstämme in ganz Kanada, der besonders für seine fein gearbeitete Schnitzkunst und seine einzigartigen Totempfähle bekannt ist. Heute leben die Haida-Indianer in modernen Ortschaften an der Ostküste der Hauptinseln, ihre alten über alle Inseln verstreuten Dörfer haben sie schon vor vielen Jahrzehnten verlassen, und Totempfähle sind das heute einzige was ihnen erhalten bleibt.

Gleich bei unserer Ankunft in Queen Charlotte entdecke ich die ersten Weißkopfseeadler
Er hält Ausschau…
…..obwohl er scheinbar ein Problem am Auge hat

Die Inseln von Haida Gwaii bestechen durch ihre unglaublich wilde, rauhe und geheimnisvolle Schönheit, die unweigerlich alle Besucher in ihren Bann zieht. Es gibt wenig Orte die einen solchen Zauber auf mich ausgeübt haben. Es gibt aber auch wenig Orte an denen es so viel regnet wie auf Haida Gwaii! Wolken und Nebel sind nie weit weg, Sonnentage kann man fast an einer Hand zählen. Diese Niederschlagsmengen und ganzjährig hohe Luftfeuchtigkeit zusammen mit einem relatif milden maritimen Klima sind ideale Wachstumsbedingungen für gemäßigte Regenwälder, bei denen die Bäume fast das ganze Jahr über kontinuierlich wachsen können. Die typischen auch an der Westküste Nordamerikas heimischen Nadelbäume wie die Sitka-Fichte, die Gewöhnliche Douglasie, der Riesen-Lebensbaum und die Westamerikanische Hemlocktanne können sich unter diesen Bedingungen zu wahren Riesen entwickeln. Gemäßigte Regenwälder sind nicht nur außergewöhnlich schön sondern sie sind auch eines der artenreichsten Ökosysteme überhaupt.

Früher konnte man gemäßigte Regenwälder in vielen Teilen der Welt bewundern, sogar in Europa (Schottland, Irland und Island). Leider wurde ein Großteil von ihnen durch großräumige Kahlschläge vernichtet. Auch wenn die Wälder an der nordamerikanischen Pazifikküste sehr unter der industriellen Abholzung gelitten haben, sind sie heute die größten weitflächigsten Wälder dieser Art von Ökosystem.

Straßen existieren auf Haida Gwaii nur auf den zwei Hauptinseln, Graham Island und einem kleinen Teil von Moresby Island und selbst dieses Straßennetz ist wenig ausgebaut. Der Rest der Inseln ist ausschließlich mit einem Boot oder Wasserflugzeug zu erreichen. Ich bereue es sehr daß wir den Gwaii Haanas Nationalpark (UNESCO Welterbe), ganz im Süden der Inselgruppe nicht besuchen konnten, aber leider war ich dafür nicht vorrausschauend genug. Nur eine beschränkte Zahl von Besuchern darf pro Tag in den Park, und diese Plätze sind lange im vorraus ausgebucht.

Die wilde Pazifikküste

Zum Trost habe ich einen Tagesausflug zu einem verlassenen, an der stürmischen Westküste gelegenen, alten Haida-Dorf gebucht. Und natürlich mit einem Haida Führer!

Um an die Westküste zu gelangen fahren wir mit dem Boot die enge Wasserstraße zwischen den beiden Hauptinseln entlang. Ein dichter Nebel umhüllt die Ufer auf beiden Seiten während unser Kapitän James (sein Haida-Name war leider zu kompliziert um ihn auszusprechen, geschweige denn ihn mir zu merken) versucht starken Strömungen und Strudeln auszuweichen. Der feine Nieselregen scheint nicht aufhören zu wollen, aber die Inselgruppen sind eben nicht für schönes Wetter bekannt. Das alte Indianerdorf von James‘ Vorfahren, bzw seine Überreste befinden sich an der Pazifikküste. Wir legen an einem kleinen Steinstrand an, gerade ist Ebbe und man kann die wunderschönen bunten Seesterne zwischen den Algen bewundern. Der üppige Urwald wächst hier bis zum Strand, bei Flut reicht das Wasser den Bäumen bis an die Füße.

Bunt gefärbter Seestern
Ein junger Weißkopfseeadler auf seiner Sitzwarte

Der letzte Überrest des alten Dorfes, ein Totempfahl oder Hauspfahl steht wenig weit vom Strand entfernt im Inneren des Urwaldes. Der Regenwald heißt nicht umsonst so, Wasser ist hier überall, alles ist tropfnass. Der schwere Nebel der schon fast in einen feinen Nieselregen übergeht umhüllt uns wie ein Schleier und läßt die Stimmung im Wald noch geheimnisvoller und märchenhafter wirken. Hier im Urwald steht die Zeit still. Ein schwerer, betörender, leicht süßlicher Duft von verottetem Holz und Pilzen hängt in der feuchten Luft.

Jeder Schritt will hier gut überlegt sein, denn der dicke Moosteppich scheint sich mit Wurzelstöcken, Zweigen und Steinen gegen alle Eindringlich verschworen zu haben um ihnen ein Bein zu stellen. Das dicke Moos schluckt jeden Laut. Keiner wagt zu sprechen. Alles hier scheint eine Seele zu haben, ich stelle mir vor wie die moosbewachsen Bäume ihre Arme nach unbedachten Besuchern ausstrecken um sie festzuhalten. Wer hier zu lange an der gleichen Stelle stehenbleibt hat gute Chancen unter dem Moos zu verschwinden……

Auf den Spuren der Haida-Vorfahren

Der verwitterte Hauspfahl zwischen den Bäumen ist der einzige Hinweis daß an diesem Ort vor langer Zeit einmal ein Dorf gestanden hat. Die starken Unwetter, die diese Küste regelmäßig heimsuchen, haben auch an dem Totempfahl ihre Spuren hinterlassen, aber die von einem unbekannten mit viel Hingabe geschnitzten Tiere und Gesichter sind immer noch sehr gut erkennbar und sie haben nichts von ihrem Zauber eingebüßt. Ihre Augen starren uns unheimlich an. In meinem Nacken spüre ich förmlich den Atem der verstorbenen Haida-Seelen die hier früher gelebt haben und noch immer im Wald umhergeistern ……

Die Gelbschopflunde und der Wanderfalke

Es wäre leicht dem Zauber dieses einzigartigen verwunschenen Märchenwaldes völlig zu verfallen und dort den ganzen Tag zu verweilen, aber James hat andere Pläne für uns. Er möchte uns mehr über seine Inseln und seine Kultur erzählen. Als erstes will er uns den Gelbschopflund vorstellen, die größte Art unter den Lunden und ein naher Verwandter der Papageientaucher. Mit seinem namensgebenden gelben Federschmuck am Kopf ist er unverwechselbar.

Der Wind peitscht uns ins Gesicht, die See ist heute sehr unruhig. Ein scharfes Foto von den hübschen Vögeln zu bekommen ist bei diesem Seegang eine Herausvorderung, denn unser kleines Boot schaukelt auf den meterhohen Wellen auf und ab, aber das gleiche gilt für die Lunde die auf der Wasseroberfläche treiben. Jedes mal wenn ich scharf gestellt habe verschwinden sie hinter einer dicken rollenden Welle. Mein Magen mag dieses langsame Schaukeln ganz und gar nicht…..

Schwerer Start….

Plötzlich taucht ein Wanderfalke über unseren Köpfen auf, als gefürchteter Jäger der Gelbschopflunde löst seine Silhouette unter den Vögeln große Panik aus. Ich schaue staunend zu wie er einen Lund im Flug verfolgt, seine Luftangriffe sind verblüffend elegant und wendig, er fliegt sogar mit den Fängen nach oben gerichtet um sein Opfer über ihm zu greifen. Aber diesmal sind seine Mühen nicht mit Erfolg gekrönt, der Lund entwischt ihm und die Vogelschar läßt sich weiter entfernt wieder nieder.

Seelöwen und Seehunde

Auf dem Weg auf das offenen Meer hinaus fahren wir an einer Kolonie von Stellerschen Seelöwen vorbei, die sich gerade auf einem Felsen ausruhen. Am Strand unter ihnen warten eine Gruppe Seehunde auf die Flut.

Stellersche Seelöwen bei der Ruhepause
Stellersche Seelöwen
Stellersche Seelöwen
Die Seehunde warten auf den Anstieg des Wasserspiegels

Bei den Buckelwalen

Auf unserer Suche nach Walen entfernen wir uns weiter uns weiter von der Küste, der Wellengang wird stärker und stärker und schüttelt ununterbrochen unser kleines Boot. Endlich entdecken wir die Fluke eines Buckelwals am Horizont, aber leider ist er viel zu weit weg um ihm nachzufahren.

Dabei scheint gerade dieser Wal etwas eher zum Springen aufgelegt….. Wir treffen einen anderen Buckelwal in unserer Nähe, er zeigt uns gerne seine große Fluke bevor er in den Tiefen des Ozeans verschwindet, aber zum Springen scheint er leider keine Lust zu haben….. eben keine Zirkustiere….

Der Tag ist wie im Flug vergangen und leider ist es schon wieder Zeit den Rückweg anzutreten. Unterwegs sehen wir einen Silberalk, einen sehr seltene Art aus der Familie der Alkenvögel. Seitdem europäische Einwanderer Ratten auf den Inseln wo er nistet eingeschleppt haben sind seine Bestände dramatisch eingebrochen.

Gürtelfischer und Weißkopfseeadler im Norden

Unsere Unterkunft im Dorf von Masset liegt gegenüber vom Hafen, und bei Ebbe kann man direkt an einen schmalen Strand hinunterlaufen. Ich verbringe den Abend und die ersten Morgenstunden an diesem Strand, in der Hoffnung Weißkopfseeadler beobachten zu können.

Ein schriller scharfer Ruf veranlaßt mich meinen Kopf zu drehen, ein Gürtelfischer! Der Gürtelfischer gehört zur Familie der Eisvögel, er ist etwas größer als der europäische Eisvogel, dafür ist sein Gefieder nicht ganz so auffällig leuchtend gefärbt. Aber mit seinem lauten, durchdringenden Ruf ist er nicht zu übersehen!

Ich brauche eine Weile um zu verstehen warum er gar so lautstark schimpft, schließlich wird mir klar daß er nicht allein ist. Insgesammt sind es 2 Männchen und ein Weibchen, kein Wunder daß alle so aufgeregt sind! Leider ist es zu düster im Dämmerlicht um ihre Revierstreitigkeiten mit der Kamera einzufangen, aber allein die Beobachtung wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Revierstreitigkeiten der Gürtelfischer im Dämmerlicht

Wir stehen an der nördlichsten Spitze von Haida Gwaii, ich habe das Gefühl am Ende der Welt zu sein. Nach einer Nacht in Masset, dem Dorf der Weißen wollen wir heute Morgen ein wenig in Old Masset herumlaufen, dem etwas abseits gelegenen Haida-Indianerdorf. In diesem kleinen Ort am Ende der Welt fallen neue Gesichter sofort auf, und erst recht wenn sie ein großes Teleobjektif unter dem Arm haben. Ein Einheimischer bleibt stehen als ich dabei bin zwei Weißkopfseeadler auf ihrer Sitzwarte in einer Fichte zu fotografieren.

Auf dem Weg zum Strand

Schmunzelnd beobachtet er mich und wartet bis ich fertig bin, dann schickt er mich an den Strand hinunter wo er gerade eine ganze Ansammlung von Weißkopfseeadlern gesehen hat. Diesmal bleibt Vater und Sohn keine Wahl, sie müssen warten, solch eine einmalige Gelegenheit hat man schließlich nicht jeden Tag! Ich beuge mich über die Mauer die den Strand zur Straße abgrenzt und traue meinen Augen kaum, tatsächlich, da sind sie, so viele daß ich nicht mal zählen kann. Später, auf dem Foto sehe ich daß es über vierzig waren

Trotz Jahrzehntelanger Verfolgung durch Menschen ist der Weißkopfseeadler erstaunlich wenig scheu, insbesondere verglichen mit dem Mäusebussard oder anderen europäischen Greifvögeln. Als ich am Strand unten ankomme beachten sie mich nicht einmal, sie sind viel zu beschäftigt sich gegenseitig die angeschwemmten Stücke von Heilbutt streitig zu machen.

Landung

Leider nimmt die Heilbutt-Orgie der Weißkopfseeadler (und meine Foto-Orgie) ein jähes Ende wenn ein sorgloser Spaziergänger seinen Hund von der Leine läßt. Ich warte eine Zeitlang in der Hoffnung sie würden wiederkommen, aber nur ein paar einzelne wagen sich nochmal in die Nähe.

Auf dem Rückweg zum Hafen

Ein letzter Zwischenstop am North Beach bevor wir nach Queen Charlotte zur Fähre zurückfahren…..

Beringmöwe am North Beach
Junger Maultierhirsch am Straßenrand
Eher neugierig als ängstlich!

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