Vancouver Island, eine außergewöhnliche Insel

Das erste Ziel unserer Reise in den Westen Kanadas ist Vancouver Island. Flächenmäßig ist die der kanadischen Pazifikküste vorgelagerte Insel etwa so groß wie Belgien, und mit ihren rund 460 Kilometern Länge ist sie die größte Pazifikinsel Nordamerikas. Victoria ist die größte Stadt auf der Insel, sie ist zugleich Hauptstadt der Provinz British Columbia. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in und um Victoria, der Rest ist auf andere kleine Ortschaften verteilt, hauptsächlich an der dem Festland zugewandten geschützteren Ostseite der Insel. Trotz ihrer Nähe zur Millionenstadt Vancouver, sind weite Teile von Vancouver Island bis heute unberührte Natur geblieben, insbesondere die von Stürmen geplagte, zerklüftete und sehr dünn besiedelte Westküste und das zum Teil sehr gebirgige Inland. Vancouver Island ist eine außergewöhnliche Insel und es ist schade daß wir nicht mehr Zeit dort verbringen konnten.

Allein landschaftsmäßig ist Vancouver Island atemberaubend schön, hier gibt es riesige wilde Urwälder mit gigantischen Bäumen, von Wind und Wasser zerklüftete Felsküsten, endlose Sandstrände und tobende Wasserfälle mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Und die Tierwelt steht den Landschaften in nichts nach. Die verschiedenen Ökosysteme der Insel bieten Lebensräume für eine riesige Vielfalt von Tieren: Hier gibt es Schwarzbären, Pumas, Wapitis, unendlich viele verschiedene Vogelarten, aber auch Delfine, Seeotter, Seelöwen Seehunde und verschiedene Walarten. Ein Paradis für naturbegeisterte Fotografen!

In den gemäßigten Regenwäldern leben Schwarzbären und Pumas


An der Westküste grenzt der wilde, üppige Regenwald direkt an die langen, von Wind und Stürmen gezeichneten Sand- und Felsstrände an. Überall liegt Treibholz, und anhand der Größe mancher dieser Baumstämme kann man sich gut den Umfang und die Kraft der Wellen vorstellen, die nötig sind um solche Riesen viele Meter nach oben auf einen Felsvorsprung zu befördern. Hier, im Pacific-Rim Nationalpark bekommen wir unseren ersten Eindruck der für die Nordwestliche Pazifikküste typischen gemäßigten Regenwälder. Früher schlängelten sich diese beeindruckenden Urwälder in einem schmalen durchgehenden Streifen die Pazifikküste entlang, von Alaska bis nach Kalifornien. Riesige Bäume strecken sich dem Himmel entgegen, und sie sind nicht nur wahnsinnig hoch, sondern haben auch einen entsprechend imposanten Stammdurchmesser.

Die Zweige im Unterholz sind komplett moosüberzogen und mit langen haarigen Flechten behangen, die man hierzulande treffend als Hexenhaare bezeichnet. Am Waldboden türmen sich zwischen wuchernden Farnen große Mengen von Totholz, Baumstümpfe, umgefallene Bäume, heruntergefallene Äste und Zweige, alles von dickem Moos überzogen. Auf den am Boden liegenden vor sich hinrottenden Baumstämmen spriesen junge Nadelbäumchen, diese sogenannten “nurse logs“ dienen den Samen als “Baumkindergarten“ zum heranwachsen . In diesem geheimnisvollen Zauberwald fällt es mir nicht schwer meiner Fantasie freien Lauf zu lassen und mir vorzustellen wie Bären und Pumas uns aus ihrem sicheren Versteck heraus im Auge behalten.

Hexenhaar-Flechten

Ein Spaziergang zwischen den alten Baumriesen des Urwalds von Cathedral Grove ist ein unvergeßliches Erlebnis. Inmitten dieser zum Großteil mehrere hundert Jahre alten Bäume kommt man sich plötzlich ganz klein vor.

Cathedral Grove hat seinen Namen verdient

Manche Bäume sind über 75 hoch und ihr Stamm hat einen Umfang von bis zu 9 Metern! Dieser Waldbestand ist einer der wenigen noch bestehenden uralten (old-growth) Wäldern auf Vancouver Island wo die typischen, an der Westküste heimischen Arten anzutreffen sind: die Sitka-Fichte, die Gewöhnliche Douglasie, der Riesen-Lebensbaum sowie die Westamerikanische Hemlocktanne. In anderen Teilen der Insel wurden diese wertvollen uralten Wälder schon weitflächig abgeholzt und die Erhaltung des Baumbestands von Cathedral Grove ist nur einem langjährigen intensiven Druck der Öffentlichkeit zu verdanken, aufgrund dessen der Betreiber des Holzunternehmens H.R. MacMillan schließlich dieses einmalige Waldstück spendete und dadurch dessen fortwährenden Schutz sicherte.

Das Gewölbe der Baumkathedrale von Cathedral Grove

Vogelparadis

Trotz der Kürze unseres Aufenthalts haben ich einige, mir bis dahin unbekannte Vögel beobachten können. Am Strand “China Beach“ treffe ich meine erste Wanderdrossel, sie ist um einiges bunter als die in unseren Breiten heimischen Drosseln. Wegen ihrer auffallenden orange-rotbraunen Färbung an Brust und Bauch wird sie deshalb auf englisch “amerikanisches Rotkehlchen“ genannt.


Wanderdrossel auf Futtersuche für ihre Nestlinge – am Strand findet sie Larven, Insekten und winzige Krebstiere

Bergstrandläufer am “Long Beach“

In British Columbia gibt es besonders viele Weißkopfseeadler

Der Weißkopfseeadler wartet auf sein Abendessen

Als wir in Port Renfrew ankommen traue ich meinen Augen kaum, die Bäume die das Hafenbecken umgeben dienen mehreren Weißkopfseeadlern als Sitzwarten von denen aus sie gelassen das Treiben der Menschen unter ihnen beobachten. Wie so viele andere Greifvögel, wurde auch der Weißkopfseeadler jahrzehntelang gnadenlos von Menschen verfolgt. Legale und illegale Abschüsse, sowie die Zerstörung seiner Lebensräume und eine intensive Anwendung des Pestizids DDT haben diesen wunderschönen Seeadler in Nordamerika fast ausgerottet. Und das, obwohl der Weißkopfseeadler der Wappenvogel der Vereinigten Staaten ist! Nach dem Verbot von DDT und verschiedenen gesetzlichen Erlässen zu ihrem Schutz in Kanada und den USA haben sich die Bestände wieder erholen können und heute gilt er nicht mehr als gefährdet. Die kanadische Provinz British-Columbia weist neben Alaska eine der größten Weißkopfseeadlerpopulationen in ganz Nordamerika auf.

Zu meiner großen Überraschung sind die Seeadler nach all dem was ihnen die Menschen angetan haben nicht besonders scheu. Ganz im Gegenteil, sie warten geduldig darauf daß die Arbeiter in den Booten ihre Fischabfälle über Bord werfen.

Vor einigen Jahren konnte ich schon einmal unseren nah verwandten europäischen Seeadler in Norwegen beobachten, und wie damals bin ich auch jetzt fasziniert von der Wendigkeit und Eleganz mit der diese eindrucksvollen Greifvögel durch die Luft gleiten.

Der Weißkopfseeadler kann sogar im Flug fressen!

Den Weißkopfseeadler zu fotografieren ist kein leichtes Unterfangen, denn es ist schwierig bei dem starken Kontrast zwischen dem weißen Kopf und dem restlichen dunkelbraunen Gefieder eine ausgeglichene Belichtung zu erzielen.

Unsere Unterkunft an diesem Abend liegt etwas außerhalb der Ortschaft, dort heißen uns Diane, Ron und ihr riesiger, kuscheliger Hund Aspen herzlich willkommen. Unser kleines Ferienhaus liegt mitten im unberührten Urwald und mir gefällt der Gedanke daß wir diese Nacht Bären, Pumas und Wölfe als Nachbarn haben.

Wapiti im Garten,
was will man mehr?

Am nächsten Morgen schleiche ich mich schon bei Tagesanbruch aus dem Haus, ich lasse die anderen beiden weiterschlafen um ihren Jetlag zu verdauen. Mir ist natürlich klar daß es ziemlich aussichtslos ist, auf eine Begegnung mit einem Bären oder einem Puma zu hoffen, aber unsere Gastgeber haben mir am Vorabend erzählt daß sie regelmäßig Wapitis (nahe Verwandten von dem europäischen Rotwild) in ihrem Garten beoachten. Und ich habe kaum den Weg erreicht da sehe ich auch schon einen Wapitihirsch am anderen Ende.

Neugieriger Wapitihirsch

Der Rest der Herde äst gemütlich im Garten des einzigen Nachbarn. Leider haben sie einen sehr geschmacklosen Hintergrund gewählt….
Zwei Wapitibullen mit und ohne Geweih messen ihre Kräfte

Ich entdecke begeistert verschiedene mir neue Vogelarten in der Umgebung: die Fuchsammer, den Zedernseidenschwanz, den Pupurgimpel, und die betörensten Art von von allen, die winzige Rotrücken-Zimtelfe auch Fuchskolibri genannt. Allein der exotische Name verleitet zum Träumen!

Fuchsammer mit vollem Schnabel
Zedernseidenschwanz
Fuchsammer
Zedernseidenschwanz mit Jungvogel
Purpurgimpel
Leider scheint die Rotrücken-Zimtelfe die Plastiktränken den Blüten vorzuziehen

Niemals hätte ich gedacht daß ein so ein klitzekleiner Vogel so lautstark und so energisch seinen Unwillen gegenüber unerwünschten Eindringlingen deutlich machen könnte. Diane hat spezielle mit Zuckerwasser gefüllte Kolibri-Tränken auf der Terrasse aufgehängt und sobald ich mich ihnen nähere werde ich aufs übelste beschimpft. Die entzückende Rotrücken-Zimtelfe lässt keinen Zweifel daran daß meine Begeisterung nicht auf Gegenseitigkeit beruht!


Aspen, der Hund, interessiert sich nicht für Kolibris, er hat nur Augen für das Rothörnchen das genüßlich die Samen, die Diane auf der Terrasse ausgelegt hat, verzehrt

Vor unserer Weiterfahrt machen wir eine kleine Pause am Botanical Beach. Dort haben die Gezeiten über Jahrhunderte hinweg mehr oder weniger große Löcher in den flachen Sandsteinstrand gegraben und bei Ebbe kann man in diesen mit Wasser gefüllten Becken die verschiedensten und eigenartigsten bunten Unterwasserwesen beobachten.

Leuchtend grüne Seeanemone
Purpurfarbener Seeigel
Eine Käferschnecke

Vancouver Island gehört zu den besten Whale-watching Plätzen der Welt

Unsere erste Whale-watching Tour geht raus in die Gewässer am nördlichen Ende der Georgia Straight, die Wasserstraße, die Vancouver Island vom Festland trennt. Das Festrumpfschlauchboot, das unser Kapitän Andrew als den Porsche seiner Flotte bezeichnet gleitet zügig über das Wasser, wie gut daß heute das Meer ruhig ist. Bevor wir uns auf Walsuche begeben, möchte uns Andrew noch eine Gruppe von Pazifischen Weißstreifendelfinen zeigen, auf die man ihn gerade über Funk aufmerksam gemacht hat. Wir sehen sie schon von weitem, denn der Weißstreifendelfin ist eine besonders lebhafte und verspielte Art und wir beobachten fasziniert ihre hohen akrobatischen Sprünge aus dem Wasser.

Pazifische Weißstreifendelfine

Die Männchen, die man an ihrer etwas stärker gebogenen Finne (Rückenflosse) erkennen kann scheinen von diesem Spiel besonders begeistert zu sein. Sie kommen nah an unser Boot heran, tauchen darunter, umkreisen uns. Ich bin mir sicher daß sie sich besondere Mühe mit ihren Sprüngen geben weil sie wissen wie gefesselt wir ihnen zuschauen. Dagegen ist es alles andere als leicht sie mit der Kamera zu erwischen. Mal abgesehen von der Geschwindigkeit mit der sich sich bewegen, tauchen sie nie da wieder auf wo man sie erwartet! Schließlich müssen wir weiter, schweren Herzens lassen wir diese liebenswerten und lustigen Akrobaten zurück……

Auf einer Felseninsel können wir eine kleine Kolonie von Stellerschen Seelöwen bewundern die dort gerade eine Ruhepause eingelegt haben.

Auf dem Weg zu den Walen steuert unser Kapitän eine andere Insel an, der Wasserspiegel steigt gerade und die starken Strömungen des auflaufenden Wassers schieben die Fischschwärme gegen die Klippen der Insel, wo sie von Zeit zu Zeit an die Oberfläche gespült werden. Überall sind Weißkopfseeadler, in der Luft, auf ihren Sitzwarten in den Bäumen die die Klippen überragen, niemals hätte ich mir vorstellen können so viele auf einmal zu sehen. Unser Kapitän zählt etwa 200 Vögel.

Die Seeadler haben seit langem gelernt die starken periodischen Strömungen der Gezeitenkräfte zu nutzen, und warten geduldig auf den geeigneten Augenblick um die wehrlosen Fische an der Wasseroberfläche abzusammeln. Dann kehren sie zu ihrer Sitzwarte zurück um sie zu verzehren. Ich kann mich kaum von dem unglaublichen Schauspiel daß uns die Natur gerade bietet abwenden, versuche aber trotzdem ein paar Fotos zu machen. Keine leichte Sache, denn nicht nur die Seeadler bewegen sich ständig, sondern auch unser Boot. Die gewaltigen Strömungen des auflaufenden Wassers lassen das Schlauchboot ständig auf den Wellen auf und ab reiten, während unser Kapitän gleichzeitig versucht das Boot von gefährlichen Strudeln fernzuhalten.

3 unterschiedliche Federkleider, ein erwachsener Weißkopfseeadler mit seinem typischen reinweißen Kopf, ein Jungvogel mit braun geflecktem Federkleid und eine fast erwachsener Vogel dessen Kopffedern schon fast alle weiß sind

Im Land der Buckelwale

Dann brausen wir erneut los, die Wale warten sicher schon auf uns ! Unser Kapitän hat von seinem erhöhten Aussichtspunkt aus auch schon von weitem 2 Buckelwale entdeckt. Wir nähern uns vorsichtig um sie besser sehen zu können.

Ihr riesiger, 15 Meter langer Körper der bis zu 30 Tonnen wiegen kann ist zwar zum Großteil unter Wasser, aber wenn sie nahe an der Wasseroberfläche schwimmen kann man gut ihre relatif kleine Rückenfinne und einen Teil des Rückens sowie die gepaarten Blaslöcher sehen.

Das erste von weitem sichtbare Anzeichen ist meist ihr beeindruckender Blas, so heißt die Nebelfontäne der mit Feuchtigkeit gesättigten und mit großem Druck ausgestoßenen Atemluft der Wale nach dem Tauchen. Wie gebannt schaue ich diesen Riesen beim Abtauchen zu. Wale sind wirklich etwas ganz besonderes, ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und ihnen zuschauen.

Vor dem Abtauchen krümmt der Buckelwal seinen Rücken um den wohl namesgebenden Buckel zu bilden. Gleichzeitig mit dem Verschwinden der Finne und des Rückens in den Fluten hebt er langsam seine große stark eingekerbte Fluke (Schwanzflosse) vollständig aus dem Wasser. Die Form, Farben und Motive der Fluke sind bei jedem Wal etwas anders und erlauben Walforschern einzelne Tiere wiederzuerkennen.

Die Brustflossen der Buckelwale könne ein Drittel ihrer Körperlänge erreichen

Nach dem Abtauchen in die Tiefen des Ozeans weiß man nie recht wann und wo die Buckelwale wieder auftauchen und einer erscheint überraschend direkt neben unserem Boot! Unglaublich ihn so nah zu sehen, ich kann sogar die Tuberkeln auf seinem Kopf erkennen! Leider weiß Andrew diese Nähe weniger zu schätzen als ich und er reißt schnell das Boot herum um uns von dem Wal zu erfernen. Buckelwale sind neugierig aber so gut wie nie aggressif, unser Kapitän war wohl eher allgemein wegen dem Größenunterschied zwischen unserem Boot und dem Wal besorgt. Ich bin mir sicher daß uns der neugierige Wal einfach nur aus allernächster Nähe begutachten wollte und gerne hätte ich mit diesem neuen 30 Tonnen schweren Freund noch etwas mehr Zeit verbracht……

Leider konnten wir die Buckelwale nicht beim Springen beobachten, es muß wahnsinnig beeindruckend sein wenn sie ihren riesigen schweren Körper aus dem Wasser wuchten um dann mit einem lauten Knall wieder auf die Wasseroberfläche zurückzuprallen. Aber an diesem Tag schienen unsere Wale gerade keine Lust zu haben…..

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