Die Brunftzeit der Hirsche hat gerade begonnen und ich blättere durch meine Fotos vom letzten Jahr. Lauter schöne Erinnerungen. Beim Anschauen denke ich verträumt an die wunderbaren Begegnungen mit dem König der Wälder zurück.

Kleine Neugierdsnase

26. September : Heute Abend bin ich das erste Mal seit langem wieder im Wald der Hirsche. Langsam gehe ich den Weg entlang, bei jedem Schritt setzte ich den Fuß so sanft wie möglich auf, denn das leiseste Blätterrascheln oder der kleinste knackende Ast kann den ganzen Wald in Aufruhr versetzen. Der Weg führt an einer Wiese vorbei, heute ist sie leer. Als ich am anderen Ende angekommen bin bleibe ich wie angewurzelt stehen. Dort wo gerade noch niemand war steht jetzt plötzlich der König des Waldes. Er ist lautlos aus dem Wald aufgetaucht. Ich kann nur staunen über ein Tier daß sich trotz seiner Größe mit so viel Eleganz und Geschmeidigkeit bewegt. Ich habe schon Mühe mich auf zwei Beinen lautlos fortzubewegen, er hat vier Beine und dazu noch ein riesiges sperriges Geweih auf dem Kopf !

Er legt den Kopf nach hinten und röhrt. Ich geniesse das Schauspiel, so nahe habe ich noch nie einen Hirsch röhren gehört bzw gesehen. Anfängerglück ?

Kurz Luft holen
Im Brunfteifer
Kommt da vielleicht schon die Herzensdame?

Nach diesem ermutigendem ersten Ausflug bin ich am nächsten Abend wieder zur Stelle. Diesmal habe ich genug Zeit eingeplant um mich rechtzeitig vor seiner Erscheinung in den der Wiese angrenzenden Büschen gut zu verstecken. Auch heute entäuscht er mich nicht, nach einer knappen Stunde erscheint er lautlos am mir gegenüberliegenden Waldrand. Langsam bewegt er sich in die Mitte der Wiese. Wieder läßt er seine beeindruckenden Brunftschreie hören während er sein Zwölfergeweih zurücklegt. Als er die Wiese verläßt hat uns bereits die Nacht eingehüllt. Erst jetzt kann ich mich aus meinem Versteck lösen. Ich höre ihn auf der anderen Seite des Weges röhren, etwas weiter weg und ich verlasse so lautlos wie möglich den Wald. In der Dunkelheit klingt sein Brunftschrei noch beeindruckender.

Ein schöner Kopf
Wenn’s hinten juckt….
….ist das Geweih recht praktisch
Her mit den Mädels!

28. September : Der Erste der mir heute über den Weg läuft ist kein Hirsch, sondern ein befreundeter Fotograf. Fast hätte ich ihn in seiner Tarnkleidung nicht erkannt! Gemeinsam gehen wir den Weg entlang, in den umliegenden Einständen hören wir mehrere Hirsche abwechselnd röhren. Heute ist hier einiges los! Aber auch wenn wir sie von allen Seiten hören, entziehen sie sich heute unserer Blicke und wird treten den Rückweg an ohne auch nur ein einziges Foto gemacht zu haben. Am Hang oberhalb des Weges gerät pötzlich ein großer, hellbrauner etwas zu runder Felsbrocken in Bewegung. 50 Meter über uns steht ein Hirsch und schaut mißtrauisch in unsere Richtung. Er hat uns gesehen, aber glücklicherweise nicht als Menschen identifiziert. Wir haben gerade Zeit ein paarmal auszulösen bevor er langsam zwischen den Bäumen davonwankt.

Ein paar Minuten später können wir in der Deckung eines großen Strauchs eine Hirschkuh beobachten.

Zwei Tage später habe ich das Glück einen Zwölfer Platzhirsch beobachten zu können, zusammen mit seinem Brunftrudel. Leider ist es zu früh, und der Tag zu grau für schöne Fotos.

5. Oktober : Der Nebel ist heute morgen so dicht daß die Sicht nicht weiter als ein paar Meter reicht und ich bin bei weitem nicht überzeugt viel zu sehen. Aber ich möchte wenigstens einen Versuch wagen. Bei dem Wetter bleibe ich lieber auf den offenen Wiesen als im Wald wo es noch dunkler und für Fotos aussichtslos ist. Gut versteckt setzte ich mich an den Rand einer großen Kuhweide. Die feuchte, kalte Luft beginnt nach einer Weile an mir zu nagen, und ich will schon fast aufbrechen als plötzlich 3 Spießer vor mir auftauchen. Sie sind noch jung und übermütig, das warten hat sich doch gelohnt….

9. Oktober : Endlich ein Tag mit blauem Himmel, ich kann es kaum erwarten in den Hirschwald zu kommen. So schönes Licht haben wir schon lange nicht mehr gehabt, heute drehe ich eine größere Runde. Nach eineinhalb Stunden Fußmarsch habe ich immer noch nichts gesehen. Ich bin gerade am überlegen ob ich meinen Spaziergang nicht doch abkürzen soll, als am Hang oberhalb des Weges Äste knacken. Zwei Hirsche auf Verfolgungsjagd! Jetzt kracht es ganz laut. Diesmal sind es keine knacksenden Zweige sondern die Geweihe die aufeinanderprallen. Weiter oben am Hang kämpfen die beiden Hirsche um ihre Stellung. Leider sehe ich zwischen den Bäumen hindurch nur wenig und ich habe Angst entdeckt zu werden wenn ich mich bewege. Möchte ich doch auf keinen Fall die Vorstellung vorzeitig beenden! Aber ich merke schnell daß meine Sorge völlig unbegründet ist. Die beiden sind so auf ihren Kampf fixiert daß sie nichts anderes mehr sehen. Ich verwünsche die Zweige und Äste die den Autofokus verzweifelt hin-und herfahren lassen ohne scharfzustellen. Schließlich gebe ich auf zu fotografieren und schaue lieber zu um dieses selten Schauspiel zu geniessen. Die Geweihe krachen immer wieder aufeinander, jeder der beiden versucht seine Stellung zu halten. Aber in einer Hanglage hat der mit dem Rücken nach unten zwangsläufig schlechtere Karten. Gegenseitig schieben sie sich rauf und runter, hin und her und einen Augenblick lang glaube ich fast sie würden vor meiner Nase landen, aber im letzten Augenblick bremst ein Baumstamm die beiden Gegener. Der Kampf dauert nur einige Minuten, dann gibt einer der beiden auf und zieht sich weiter in den Wald zurück. Das Röhren des stolzen Siegers dröhnt von oben zu mir herunter.

Die zwei Gegner
Schrei de Siegers

Plötzlich schaut er verwundert und etwas verdutzt in meine Richtung. Er lehnt sich nach rechts, dann nach links um besser zu sehen, aber nachdem ich hinter einem Ginsterstrauch stehe kann er mich nicht als Zweibeiner erkennen. Letztendlich zieht er es vor seinen viel wichtigeren Beschäftigungen nachzugehen.

Ein neuer Tag, eine neue Begegnung. Ich sitze mit dem Rücken an einem Baum als er sein Brunftrudel durch den Wald treibt. Die Damen haben Hunger und so muß der König der Wälder gezwungenerweise etwas warten.

Ein wenig weiter treffe ich auf einen kleinen Spießer. Heute ist er gar nicht vorsichtig.

13. Oktober : Eine unvergeßliche Begegnung mit einem Vierzehner die fast eine Stunde lang gedauert hat. Um unbemerkt zu bleiben vermeide ich jegliche Bewegungen, und muß leider die störenden Zweige auf meinen Fotos hinnehmen. Die Brunftzeit geht zu Ende und ich geniesse diese letzten Augenblicke. Bald schon werden sich die brunftmüden Hirsche zurückziehen um sich von den anstrengenden letzten Wochen zu erholen.

Traumhirsch oder Hirschtraum
Immer auf der Hut
Von vorn
Augenzwinckern vom Hirsch
…..und von der Seite

Heute ist der 20. Oktober, die Brunftzeit ist vorüber. Ein letztes Mal warte ich im Wald. Von Zeit zu Zeit hört man noch aus der Ferne die Stimme eines Unverbesserlichen, aber sonst ist wieder Ruhe eingekehrt. Ein ganzes Jahr wird es dauern bis ihre schönen Stimmen wieder durch den Wald klingen werden.

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