Nach meinem Aufenthalt auf der Hornstrandir Halbinsel unter Fotografen und Polarfüchsen ist es jetzt Zeit Island im Rahmen eines Familienurlaubs zu erkunden. Wir haben 3 Wochen um die Insel auf der Ringstraße zu umrunden. Eine gute Gelegenheit mir bis jetzt wenig oder unbekannte Vogelarten kennenzulernen.

Singvögel

Der Wiesenpieper (Anthus pratensis)

Dieser Cousin des bei mir gelegentlich vorkommenden Baumpiepers ist ein in Island weit verbreiteter und häufiger kleiner Singvogel. Er ist verhältnismäßig wenig scheu und läßt sich mit etwas Geduld gut fotografieren. Im Hornstrandir habe ich es sehr zu schätzen gewußt daß er sich freundlicherweise oft auf die fotogenen Blütenstände der wilden Engelwurz gesetzt hat.

Vom Winde verweht

Der Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe)

Ein weiterer hübscher kleiner Singvogel, den man in Island häufig beobachten kann ist der Steinschmätzer. Er hat uns während der langen Wartezeiten vor den Polarfuchsbauten regelmäßig die Zeit vertrieben.

Die Schneeammer (Plectrophenax nivalis)

Während der letzten Eiszeit war die Schneeammer ein in ganz Europa weit verbreiteter Singvogel. Heute ist beschränkt sich ihr Verbreitungsraum, vor allem während der Brutzeit auf die nördlichen Breiten. Manche Schneeammern überwintern in Frankreich und im nördlichen Deutschland, aber bei mir im Garten in der Creuse habe ich sie leider noch nie als Wintergäste begrüßen dürfen. In Island bleibt die Schneeammer oft das ganze Jahr. An einem kleinen Süßwassersee in den Bergen des Hornstrandir habe ich meine erste Schneeammer entdeckt, leider war sie nicht besonders kooperatif, im Gegensatz zu der, die ich etwa 2 Wochen später, im Landmannalaugar beobachten konnte. Auf dem steinigen und vegetationsfreien Gipfel war sie wohl auf der Suche nach ein paar heruntergefallenen Brotzeitkrümeln der Bergsteiger, die hier regelmäßig Pause machen. Ich liege flach auf dem steinigen und staubigen Boden und versuche verzweifelt ein Foto von ihr zu machen. Nicht leicht, denn die kleine Ammer ist beschäftigt, und huscht bei ihrer Nahrungssuche unentwegt zwischen den Geröllbrocken herum. Mein Stiefsohn, dem meine Verrenkungen am Boden sichtlich sehr peinlich sind, macht Druck: “Schick Dich, schnell, da kommt eine ganze Gruppe von Bergwanderern!“

Wat- und Meeresvögel

Der Rotschenkel (Tringa Totanus)

Die dritte Station auf unserer Rundreise ist eine traumhafte kleine Holzhütte mitten am Land, ein wenig nördlich der kleinen Stadt Hella. Wir haben einen wunderbaren Blick auf den Vulkan Hekla, einer der aktivsten Vulkane Islands und der Garten ist von Wiesen und Weiden umgeben in denen zahlreiche Vogelarten zu Hause sind. Bei unserer Ankunft am ersten Abend werden wir gleich mit den aufgebrachten Warnrufen eines Rotschenkels begrüßt, ein Watvogel, den ich schon vor ein paar Jahren in Norwegen kennengelernt habe. Er weiß unsere Anwesenheit in seinem Revier ganz und gar nicht zu schätzen und fliegt laut schreiend von einem Zaunpfosten zum anderen während wir das Gepäck ausladen.

Eines ist klar, wir sind ungebetene Gäste in seinem Reich! Sobald einer von uns es wagt auf die Terrasse zu treten, kommt er schimpfend angeflogen.

Junger Rotschenkel
Schimpfender Rotschenkel

Zu meiner großen Erleichterung bin ich nicht die einzige die hier unerwünscht ist, auch die Möwen, die sich gelegentlich in unseren Luftraum wagen werden ohne Umschweife vertrieben.

Trotzdem ist der Rotschenkel wenig genneigt sich fotografieren zu lassen, denn auch wenn er mich im Garten auf Schritt und Tritt verfolgt, sobald ich die Kamera in seine Richtung drehe, fliegt er schnell einige Meter weiter.

Die Uferschnepfe (Limosa limosa)

Die Uferschnepfe, ein schöner eleganter Watvogel mit langen Beinen und einem langen markanten Schnabel ist eine mittlerweile stark gefährdete Art , die sowohl in Deutschland als auch international auf der Roten Liste gefährdeter Arten steht. In Europa sind die Bestände in den letzten 30 Jahren um 75% zurückgegangen. Schuld an diesem Bestandseinbruch sind hauptsächlich die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft und der damit verbundene Verlust von Lebens- und Bruträumen. Eine vorzeitige Mahd zerstört die am Boden gelegenen Nester und die nestflüchtigen Kücken oder nimmt ihnen die nötige Deckung vor Fressfeinden. Das Trockenlegen von Feuchtwiesen und Mooren für Ackerland sowie die Anwendung von künstlichen Düngern führt zum verschwinden vieler Insekten, auf die die Schnepfe zum Überleben angewiesen ist. Trotzdem steht sie in Frankreich als einzigem Land Europas immer noch auf der Liste der jagbaren Arten. Glücklicherweise wurde unter starkem Druck verschiedener Naturschutzorganisationen das augenblicklich bestehende Moratorium für die Saison 2020-2021 verlängert so daß die Uferschnepfe offiziell zur Zeit nicht bejagd werden darf.

Im Gegensatz zu den schwindenden Beständen auf dem europäischen Festland geht es der Uferschnepfe in Island vergleichsweise gut und ich habe die Art dort oft gesehen. Meine schönsten Begegnungen mit der Uferschnepfe erlebte ich im Garten unserer kleinen Hütte im Südosten Islands. Eines Abends, als wir gerade im Regen heimkamen, setzte sich plötzlich ein großer (Flügelspannweite immerhin 70-80cm) schlanker Vogel auf den Rasen. Auch er war sichtlich nicht von unserer Ankunft begeistert. Müssen wir doch schon die ewigen Schimpftiraden der Rotschenken ertragen, sobald sich einer von uns auf die Terrasse wagt, und jetzt fangen die Schnepfen auch noch an! Ich bin begeistert!

Im nassen Rasen liegend versuche ich trotz Regen diese, unsere erste Begegnung, auf meiner Speicherkarte zu verewigen. Die Schnepfe scheint mich in dieser Position besser zu akzeptieren, auch wenn sie sich sicher über diesen seltsamen Zweibeiner im Gras gewundert hat..

Die nächsten 3 Tage verbringe ich die frühen Morgenstunden und die Zeit nach dem Abendessen auf der Suche nach den Schnepfen. Ich versuche verschiedene Fotos zu machen, schön wäre es, sie mit den eingeschneiten Bergen im Hintergrund zu erwischen. Leider verstehen die Schnepfen aber nicht recht was ich gegen die Zaunpfosten als Sitzwarte habe!

Der Regenbrachvogel (Numenius phaeopus)

Der melodisch trillernde Ruf des Regenbrachvogels klingt noch immer in meinen Ohren. In Island ist dieser eigenartige Watvogel mit seinem gekrümmten Schnabel recht häufig, ich habe ihn auf unserer Rundreise regelmäßig in den Wiesen und Weiden neben der Straße gesehen. Oft auf saßen sie auf einem Zaunpfosten, mit ihrem karakteristischen Schnabel von weitem erkennbar..

Ich hatte das große Glück sie etwas näher beobachten zu können, denn im Garten der kleinen Hütte im Südosten der Insel konnte man jeden Abend ihre trillernden Rufe vernehmen. Mehrere Brutpaare hatten in den Wiesen und Weiden um uns herum ihr Sommerquartier eingerichtet um dort ihre Jungen aufzuziehen.

Leider habe ich kein einziges scharfes Foto der Kücken, denn im vergleichsweise hohen Grass sind die kleinen Federknäuel gut getarnt und außerdem sind sie noch flinker und schneller als ihre Eltern. Die meiste Zeit habe ich ihre Nähe erst durch das plötzlich wechselnde Verhalten eines Altvogels bemerkt.

Dieser versuchte auf einmal durch alle möglichen Tricks meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Obwohl er nicht besonders scheu ist , hielt der Regenbrachvogel normalerweise einen gewissen Abstand. Aber sobald seine Jungen in meine Nähe kamen fing er an direkt vor meiner Nase auf und abzulaufen. Seine Ablenkungsmanöver haben prompt jedes Mal ihre Zwecke erreicht!

Ablenkungsmanöver des Regenbrachvogels

Die Erwachsenen wanderten regelmäßig auf dem kurz geschnittenen Rasen herum, ich nehme an die Insekten waren dort veilleicht leichter zu fangen als im hohen Grass der Weiden. Im Gegensatz zu dem für den Rasenmäher sorgfältig geebneten Boden des Rasens, der fast einem Golfplatz glich, war auf den umliegenden Grass-und Weideflächen die Struktur des Bodens erhalten geblieben, viele Huckel und Buckel zeugten noch immer von dem mittlerweile überwachsenen Lavafeld darunter. Die Regenbrachvögel nutzten diese kleinen Hügel als Aussichtswarten und nur zu gerne hätte ich einen von ihnen darauf mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund fotografiert. Leider hat sich trotz so manchem Warten nie ein einziger auf einen geeigneten Huckel setzen wollen.

Die Bekassine (Gallinago gallinago)

In Island ist die Bekassine ein relativ weit verbreiteter Vogel, den man aber leicht übersieht weil er die meiste Zeit gut getarnt im Grass versteckt lebt. Meistens sieht man sie erst wenn sie aufgeschreckt wegfliegt oder man hört sie bevor man sie sieht. Im Hornstrandir haben wir in den Mooren regelmäßig Bekassinen im Flug beobachten können, und vor allem konnte man sehr gut das sogenannte “Wummern“ oder “Meckern“ hören, ein eigenartiger Instrumentallaut der durch das Vibrieren der äußeren Steuerfedern erzeugt wird. Die Vögel lassen sich in einem bestimmten Winkel herabfallen, dabei erzeugt der Luftstrom an den abgespreizten Federn ein immer lauter werdendes Tremolo. Manche beschreiben es als summendes Geräusch, andere als “Meckern“, was ihr in manchen Ländern (Schottland und Finland) den Spitznamen “Himmelsziege“ oder fliegende Ziege eingebracht hat.

Im Hornstrandir konnte ich die Bekassine leider nie aus der Nähe beobachten, aber eines Abends, als wir beim Abendessen in unserer Hütte saßen, hörte ich eine neue Stimme auf der Terrasse. Als ich durch die Tür schaute stellte ich erstaunt fest daß die Stimme einer Bekassine gehörte, die ganz offensichtlich irgendeinen potentiellen Feind in der Nähe ausgemacht hatte. Ausnahmsweise war diesmal nicht ich der Störenfried, ganz im Gegenteil die Bekassine störte sich nicht im geringsten an meiner Anwesenheit, nicht einmal dann, als ich langsam die Tür aufmachte. Eine gute viertel Stunde saß sie auf ihrer Sitzwarte auf dem Windschutz der Terrasse.

Im Friedhof einer kleinen Torfkirche wartete meine zweite Begegnung mit der Bekassine auf mich: ein kleines Versteckspiel zwischen den Grabsteinen mit den zwei Jungvögeln und einem ihrer Eltern.

Junge Bekassine
Jungvogel
Das wachsame Auge des Altvogels

Die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea)

Während Vater und Sohn noch schlafen nütze ich die frühen Morgenstunden nach unserer ersten Nacht in der kleinen Ferienhütte um die Gegend zu erkunden. Ein kleiner Fluss grenzt hinter der Hütte an den Garten an und ich laufe neugierig in diese Richtung. Plötzlich ertönten schrille, kreischende Rufe über meinem Kopf, gefolgt von einem Geknatter wie von einem Maschinengewehr. Ich hebe den Kopf, und sehe einen schlanken, eleganten Vogel im Sturzflug auf mich zukommen. Ich habe gerade noch Zeit mich zu ducken und meine Arme schützend über den Kopf auszustrecken, der Vogel berührt im Vorbeifliegen fast meine Finger. Eine Küstenseeschwalbe!

Küstenseeschwalben sind bekannt dafür ihr Revier energisch gegenüber Eindringlingen zu verteidigen die (absichtlich oder auch nicht) ihren Jungen zu nahe kommen könnten. Falls der Eindringling nicht sofort den Rückzug antritt, zögert sie nicht mit heftigen Schnabelhieben auf den Kopf des vermeindlichen Feindes nachzuhelfen. Ich möchte sie weder ärgern noch einen sich eventuell in der Nähe befindlichen Jungvogel stören, deshalb ziehe ich mich schnell auf einen sicheren Abstand zurück. Und tatsächlich, ich brauche nicht lange um die junge Schwalbe zu entdecken. Sie hat zwar noch ein wenig Flaum auf dem Kopf und am Rücken, aber sie kann schon fliegen, wenn auch noch sehr unbeholfen. Besonders die Landungen hat sie noch nicht so recht im Griff. Jetzt sitzt sie ein paar Meter von mir entfernt im Grass und wartet auf das nächste Futterpacket. Ich mache schnell ein paar Fotos bevor die Altvögel zurückkehren.

Und mein Frühstück???

Wir sind kaum aus dem Auto gestiegen und schon versammeln sich über unseren Köpfen mehrere aufgebrachte Küstenseeschwalben. Wir ducken uns um ihren Sturzflugangriffen zu entgehen und mir wird klar daß der Parkplatz des Naturreservats von Dyrhólaey inmitten einer Brutkolonie von Küstenseeschwalben liegt. Im Grass rund um den Parkplatz herum tummeln sich hunderte von Jungvögeln und ihre fütternden Eltern.

Altvogel mit Fischbeute
Babyschwalben versteckt im Gras

Der Parkplatz ist zwar gegen diese Wiese abgegrenzt, um zu verhindern daß Touristen den Nestern zu nahe kommen, aber das scheint den Schwalbeneltern nicht auszureichen. Jeder Neuankömmling wird sofort mit Angriffsflügen begrüßt, damit es auch jeder gleich versteht, hier ist ihr Revier. Ich schaue den Seeschwalben bewundernd beim Füttern zu, die Eltern fliegen unentwegt zwischen dem Meer und dem Brutplatz hin und her, denn die Kleinen haben ständig Hunger.

Beuteübergabe an die Vogelmutter – nur sie verteilt Nahrung an die Kleinen

Unser Aufenthalt in Island neigt sich dem Ende zu, die kleine Ferienhütte am Fuß der Berges Kirkjufell ist unsere letzte Station. Die Schotterstraße die zu den Hütten führt durchquert direkt eine Brutkolonie von Küstenseeschwalben. Die Jungvögel sind zwar schon flügge, sind aber noch recht ungeschickt und langsam, kein Vergleich zu den eleganten und akrobatischen Flugkunststücken der Altvögel. Nach dem Abendessen laufe ich die Schotterpiste ein Stück entlang und mache eine traurige Entdeckung: Die erwachsenen Küstenseeschwalben können ihre Jungen zwar gegen Fußgänger verteidigen, nicht aber gegen die Autos. Viele kleine Schwalben sind überfahren worden und liegen tot am Straßenrand. Ich bin wütend und traurig, dies hier ist keine Hauptstraße sondern eine kleine Schotterstraße, gerade mal breit genug für zwei entgegenkommende Autos und trotzdem sind die Fahrer dermaßen rücksichtslos daß sie nicht einmal hier den Fuß vom Gaspedal nehmen können. So viele verlorene Leben nur aus reiner Rücksichtslosigkeit und Egoismus! All die Anstrengungen der Küstenseeschwalbeneltern um ihre Jungen auszubrüten, wochenlang zu füttern und zu verteidigen waren umsonst….

Junge Küstenseeschwalbe auf der Schotterstraße

Der Papageientaucher (Fratercula arctica)

Island ist nicht das erste Land in dem ich den Papageientaucher beobachten konnte – vor ein paar Jahren haben wir einen Tag auf Skomer verbracht, einer kleinen Insel in Wales die für ihre riesigen Brutkolonien von Papageientauchern berühmt ist. Leider war es jahreszeitlich etwas zu spät, denn im August sind die Jungvögel schon groß und die Papageientaucher verbringen den ganzen Tag auf dem offenen Meer und kehren erst am Abend zum Schlafen auf die Insel zurück, lange nach dem letzten Boot. Deshalb habe ich sie dort nur von weitem gesehen und habe mir immer gewünscht sie einmal aus der Nähe zu Gesicht zu bekommen.

Diesmal hoffe ich etwas mehr Zeit mit diesem lustigen und bunten Vogel verbringen zu können und ihn etwas besser kennenzulernen.

In der Nähe von Vik, im Naturreservat von Dyrhólaey treffen wir unsere ersten Papageientaucher, sie ruhen sich kurz in den Steilfelsen aus. Die vielen Besucher sind begeistert und jeder versucht sich so nah wie möglich an die Absperrung zu quetschen um sie zu sehen und zu fotografieren. Dabei sitzen die beiden in einiger Entfernung und etwas zu hoch um wirklich gute Aufnahmen machen zu können. Am Abend gibt mir unsere Gastgeberin Martina einen kleinen Tip, für eine Stelle in der Nähe wo weniger Leute sind.

Nach dem Abendessen ziehen wir los, trotz der dicken schwarzen Wolken am Himmel, die nichts Gutes heißen. Auch hier kommen um diese Jahreszeit die Papageientaucher erst Abends an das Festland zurück, aber hier im hohen Norden wird es erst sehr spät dunkel. Leider hat das Wetter an keinem von den beiden Abenden an denen wir in Vik waren mitgespielt, jedes mal hingen die dunklen Wolken tief und es regnete. Kaum erstaunlich daß Vater und Sohn es unter diesen Umständen vorgezogen haben im Auto zu warten, gut daß unser Mietauto einen WLAN-Anschluß hat!

Hier sind wesentlich weniger Leute als in Dyrhólaey, bei diesem Wetter sind sogar nur wenige Fotografen unterwegs. Leider ist der Ort zum Fotografieren nicht ideal, der Weg läuft oben an den Steilfelsen entlang und wenn man sich zu nahe an die Kante wagt riskiert man zusammen mit ein paar Felsbrocken etwa hundert Meter in die Tiefe zu stürzen. Die Vögel die sich normalerweise unterhalb vom Weg in die Felsvorsprünge setzen sieht man von oben nicht unbedingt.

Aber glücklicherweise sind die Papageientaucher nicht kamerascheu und die Nähe der Fotografen stört sie nicht. Mit ein paar unbequemen Verrenkungen am Boden gelingt es mir doch noch ein paar sympatische Aufnahmen zu machen.

Begegnungen im Lavafeld

Das Alpenschneehuhn (Lagopus muta)

Heute haben wir unsere erste Wanderung im Landmannalaugar, einer der schönsten Vulkanlandschaften Islands, gemacht. Nach der Besteigung des Vulkans Brennisteinsalda mit seinen spektakulären Farben und Schwefelablagerungen durchqueren wir das schier endlose Lavafeld (Laugahraun) um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukehren. Vater und Sohn sind schon vorrausgelaufen, denn sie können nicht verstehen warum man alle 5 Minuten stehenbleiben will, um die Landschaft zu bewundern. Aber bei den atemberaubenden Blicken auf die bunten Berge hinter dem von Moos und Flechten bewachsenen Lavafeld kann ich gar nicht anders. Nach jedem Lavabrocken scheint die Aussicht noch schöner zu werden. Langsam wird mir mein Rucksack schwer, ich frage mich warum ich das große Teleobjektif den ganzen Tag mit mir herumgeschleppt habe wenn es doch eigentlich äußerst unwahrscheinlich ist in dieser von Lava und Asche geprägten Mondlandschaft ein Tier zu treffen. Was sollten Tiere hier fressen? Außer den hübschen graugrünen Moosen und Flechten, ein paar kleinen Wildblumen und einigen kargen Grashalmen wächst hier nichts. In den Lavafeldern ist es streng verboten die Wege zu verlassen denn auch wenn es gar nicht so ausschaut, ist dieses Biotop außerordentlich empfindlich, die Moose und Flechten haben Jahrhunderte gebraucht um sich hier anzusiedeln und bräuchten ebenso lange um sich von den sorglosen Fußtritten der Touristen zu erholen.

Lagahraun

Bei einer meiner Fotopausen fällt mir plötzlich ein eigenartiges Geräusch auf. Ein seltsames leises Glucken das ich nicht kenne. Ich suche die flechtenbewachsenen Lavabrocken ab, sehe aber nichts. Seltsam, dabei kann ich es sehr deutlich hören, es muß ganz in meiner Nähe sein. Die Tarnung des Schneehuhns ist so perfekt daß ich einige Minuten brauche bis ich es am Wegrand entdecke.

Perfektes Tarnkleid

Sein grau, braun und beige gesprenkeltes Federkleid ist bestens an die Farben der Umgebung angepaßt. Ich bin überglücklich denn das Schneehuhn ist nicht besonder scheu und läßt mir Zeit mein Teleobjektif aus dem Rucksack zu holen. Dann fällt mir auf daß es auch keine Selbstgespräche geführt hatte, sondern mit mindestens 2 Kücken unterwegs ist. Die Kleinen haben noch nicht recht gelernt für das Foto zu posieren, aber ihre Mama ist sehr begabtes Fotomodell.

Ich bin sehr beeindruckt von diesem außergewöhnlichen Vogel – Das Schneehuhn schafft es in solch kargen und unwirtlichen Gegenden zu leben und ist bestens an die extremem Witterungsbedingungen, die hier fast das ganze Jahr über herrschen, angepaßt. Es ist zu jeder Jahreszeit hervorragend getarnt, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Vögeln wechselt es sein Federkleid nicht 2 sondern 3 mal im Jahr. Seine befiederten Füße dienen ihm im weichen Schnee als Schneeschuhe so daß die Beine nicht einsinken.

Dieses Relikt aus der letzten Eiszeit ist heute in Europa nur noch in den nördlichen Breiten zu finden (Skandinavien, Schottland, Island) aber auch in Nordamerika und Teilen Asiens (Russland, Japan). Kleine, isolierte Populationen haben sich in den Alpen und in den Pyrenäen erhalten können.

Der Gerfalke (Falco rusticolus)

Der Gerfalke ist weltweit der größte und schwerste seiner Art. Er ist ein besonders beeindruckender Greifvogel. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die nördlichen Regionen der nördlichen Halbkugel von Eurasien bis Nordamerika. Etwa ein Viertel des europäischen Bestands brütet in Island, aber selbst bei etwa 400 Brutpaaren auf die ganze Insel verteilt, bleibt der Gerfalke ein seltener Vogel dessen Beobachtung viel Gedult erfordert. Deshalb könnt Ihr Euch sicher meine Begeisterung vorstellen, als ich einen Falken beim Fahren hinter den Weidensträuchern am Straßenrand entdeckte! Meine Freude ist leider schnell in Enttäuschung umgeschlagen, denn mein Chauffeur war wie üblich nicht geneigt stehenzubleiben, auch nicht etwas weiter. “Bis wir dorthin zurückkommen ist doch Dein Vogel längst weg – mach Dir nichts draus, wir bringen Dich nachher zum Vogelmuseum….“. Ich schimpfe daß ich Vögel lieber lebendig beobachte als ausgestopft, aber keiner hört mehr zu.

Selbst nach unserem Rundgang um den Krater des Vulkans Hverfjall, denke ich noch immer an den Gerfalken von heute morgen und ärgere mich, daß ich nicht mehr darauf bestanden habe zurückzufahren. Wie oft im Leben hat man schließlich die Gelegenheit einen Gerfalken zu sehen? Ich fange an zu meckern: “Wegen Dir habe ich heute morgen den Gerfalken verpaßt!“
“Wen verpaßt?“
“Ihren komischen Vogel“ ertönt seufzend die Stimme von meinem 16-jährigen Stiefsohn auf dem Rücksitz. Manchmal bin ich mir nicht sicher was ihn mehr zur Verzweiflung treibt, das kurze Gedächtnis seines Vaters oder die vogelwilde Stiefmutter.
Der Gerfalke ist der größte aller Falken weltweit“ versuche ich zu erklären.
“Bist Du Dir sicher daß es wirklich der allergrößte ist?“
“JA!!!!!“ –
“Gut, wenn das so ist…..“
“Mir jedenfalls ist es immer noch lieber irgendwelche Vögel am Straßenrand zu suchen als mehr Geröll anzuschauen“ stellt mein Stiefsohn trocken fest. Ganz offensichtlich hat er nach der Überdosis von Burgen in Schottland und Wales nun auch noch eine Überdosis von Lavafeldern…. Aber diese spöttische Bemerkung stört mich jetzt nicht, ich freue mich viel zu sehr darauf den Falken vielleicht doch noch zu sehen. Wir fahren los.

Und wie durch ein Wunder, als hätte er auf mich gewartet ist der Gerfalke tatsächlich noch in der gleichen Gegend. Diesmal sehe ich ihn schon von weitem, er sitzt auf einem großen hohen Felsen direkt am Straßenrand. Ich habe genug Zeit ganz laut “stehenbleiben“ zu schreien, und jetzt kommt das zweite Wunder des Tages, das Auto hält tatsächlich 100 Meter vor dem Felsen an. Aus dem Auto beobachte ich ihn mit dem Fernglas. Der Falke rührt sich nicht. Ich lasse das Fenster herunter, immer noch keine Reaktion. Ich nehme meine Kamera, mache langsam, ganz langsam die Autotür auf, er rührt sich immer noch nicht. “Der ist nicht echt “ sagen die beiden anderen. Der Falke hat mich gesehen, das ist klar, er schaut in meine Richtung, aber scheint sich an meiner Gegenwart nicht im geringsten zu stören. Ich schlüpfe aus dem Auto, immer noch ist alles ok. Etwas überrascht aber auch ermutigt beschließe ich mich etwas näher heranzuwagen. Langsam setze ich einen Fuß nach dem anderen, bleibe dazwischen immer wieder stehen, keine hastigen Bewegungen. Selbst dann als ich es endlich wage die Kamera zu heben bleibt der Falke ungerührt. Ich bin außer mir vor Freude, kann es kaum fassen.

Plötzlich dreht der Gerfalke seinen Kopf, und als ich seinem Blick folge wird mir klar daß unsere wunderbare Begegnung leider gleich ein jähes Ende nehmen wird. Ein weiteres Auto ist auf der anderen Straßenseite stehengeblieben und sein Fahrer kommt jetzt im Sturmschritt auf uns zu. Das ist selbst für den geduldigsten Falken der Welt zu viel. Er kotet, schüttelt sein Gefieder und fliegt ab. Die Situation erinnert mich an unseren Urlaub in Kanada, wo man nirgendwo am Straßenrand stehenbleiben konnte ohne daß sofort unzählige andere Autos das gleiche taten, aus lauter Angst irgendetwas zu versäumen. Der rücksichtslose Tourist scheint auch noch erstaunt als ich laut schimpfend zu unserem Auto zurückgehe……

Auf dem Weg zum Vogelmuseum entdecke ich ein gutes Stück von der Straße entfernt noch einen Gerfalken, aber dieser ist wesentlich scheuer, sobald das Auto stehenbleibt hebt er ab.

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